Dienstag, 11. August 2009

Elektroauto: Volltanken für fünf Euro

VERKEHR: Tanken bei Freunden
Der Berliner Frank Müller testet ein halbes Jahr ein Auto, das mit Strom fährt

BERLIN - An der Zapfsäule ist Frank Müller der Superstar. Wenn der Berliner mit seinem Mini-E-Flitzer am Ku-Damm vorfährt, stehen grundsätzlich zehn bis zwölf Leute um ihn herum. Wenn er die Tankklappe öffnet und einen orangenen Schlauch mit der blauen Säule auf dem Bürgersteig verbindet, sind alle Kameras auf ihn gerichtet. „Beim Tanken habe ich mehr Aufmerksamkeit als ein Ferrari-Fahrer“, sagt er.

Müller ist begeisterter Elektro-Fahrer. „Go electric – it’s fun“ ist sein Motto, das in großen Lettern auf einem Papier an der Heckscheibe prangt. Aus seinen Auto-Boxen wummert zwar keine elektronische Musik, ohne Elektro fährt der Wagen trotzdem nicht. Das Fahrzeug wird komplett mit Strom betrieben. Müller ist einer von 50 Testfahrern, die für BMW und den Energiekonzern Vattenfall durch die Hauptstadt düsen. Der Berliner nimmt damit am größten Elektro-Auto-Projekt Deutschlands teil. Auch die Bundesregierung will die Technologie vorantreiben und hat dazu einen „Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität“ aufgestellt.

Noch bis zum 22. Dezember muss sich Müller mit seiner Strom-Karosse im Verkehrsdschungel zurechtfinden. Er soll testen, wie sie sich im Alltag fährt. Als Geschäftsführer des Bundesverbandes E-Mobilität war der 42-Jährige von Beginn an mit Begeisterung dabei.

Lange Zeit war er genervt vom Motorengeheule seines Benziners. Das Problem hat der Lobbyist mit dem neuen Auto nicht. Wie sehr ihn der E-Mini unter Strom setzt, demonstriert Müller bei einer Testfahrt. Kaum ist der Anschnallgurt umgelegt, zündet er den Motor mit einem Knopfdruck und gibt Gas. Das Auto braust geräuschlos davon, alles was man hört, ist das Knirschen der Reifen. Müller beschleunigt, der Rücken wird wie beim Start eines Flugzeugs in den Sitz gepresst – bei 204 PS kein Wunder. „Ein spaciges Gefühl“, freut sich der Testfahrer. Doch nicht nur die Geschwindigkeit hat es ihm angetan. Müller mag es grün im Stadtverkehr: „Ich könnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, mit einem spritfressenden Oldtimer zu fahren.“

So versichert Vattenfall, dass aus seinen Steckdosen in Berlin ausschließlich „grüner“ Ökostrom fließt. Zertifikate sollen nachweisen, dass der Tankstoff aus Solarzellen und Windrädern stammt. Zumindest in der Theorie bleibt die Produktion der Energie emissionsfrei – dass ausgerechnet der Strom aus der Ladesäule aus regenerativen Energien stammt, lässt sich aber nicht nachweisen, da man die Stromkreisläufe nicht trennen kann. Zudem hat Vattenfall seit der Pannenserie im Atomkraftwerk Krümmel ein Glaubwürdigkeitsproblem.

„BMW wäre gut beraten, einen anderen Partner für das Elektroautoprojekt zu wählen“, sagt der Automobilforscher Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. Der Experte misst den Autos mit elektrischem Antrieb mittel- und langfristig „einen hohen Stellenwert“ zu. Ab 2020 werde Bewegung in den Markt kommen. Viele Konzerne hätten allerdings die Entwicklung von Elektroautos verschlafen: „Im Wettbewerb mit anderen Ländern hätte man einiges schneller machen können“, sagt Dudenhöffer.

Die größten Probleme sieht er in der Strominfrastruktur. Bislang können die starken Batterien in Berlin nur an 20 öffentlichen Ladestationen aufgeladen werden. Alle Testfahrer haben zudem eine Autostrom-Box in der heimischen Garage. Allerdings reicht eine Akku-Ladung im Schnitt nur für 200 Kilometer. Sobald der Saft raus ist, muss die Batterie für dreieinhalb Stunden an die Station von Vattenfall. An der normalen Steckdose dauert der Ladevorgang sogar zehn Stunden. Doch das ist nicht das größte Problem. „Die hohen Batteriekosten sind der Knackpunkt“, erklärt Dudenhöffer. 12 000 bis 15 000 Euro kostet laut dem Automobilforscher eine Batterie für einen Golf mit einer Reichweite von 150 Kilometern. Auch Clemens Fischer, Innovationsmanager bei Vattenfall, räumt Mängel ein: „Die Lithium-Ionen-Batterien sind mit 260 Kilogramm noch zu groß und zu schwer.“ Im Kofferraum bleibt noch nicht mal Platz für einen Wasserkasten.

Elektro-Fan und E-Lobbyist Müller wischt all die Probleme mit einer Handbewegung weg. Während sein Mini am Ku’damm Energie zapft, trinkt er zur Überbrückung ein Käffchen. Obwohl er nach 200 Kilometern spätestens wieder tanken muss, meidet er keine weiten Strecken. „Wenn ich zu Freunden auf’s Land fahre, tanke ich einfach bei ihnen auf“, sagt er. Für die zehn Stunden Wartezeit nimmt er auch mal eine Übernachtung in Kauf.

Immerhin müssen sich Müllers Freunde keine Sorgen über eine Kosten-Explosion ihrer Stromrechnung machen: Einmal Volltanken macht rund fünf Euro. Allerdings nur, falls es überhaupt zum Tanken kommt. So hat selbst Testfahrer Müller ein Manko bei seinem kleinen Elektro-Freund festgestellt: Beim Aufladen an der 220-Volt-Steckdose sei öfter mal die Sicherung herausgeflogen, berichtet er. (Von Diana Teschler)

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