Freitag, 15. Januar 2010

So funktioniert die chinesische Internet-Zensur - Google mag nicht mehr

Internet-Zensur made in China

Der Suchmaschinenriese Google hat angekündigt, seine Suchergebnisse in China nicht mehr zensieren zu wollen. Ob die staatlichen Behörden das großartig stört, bleibt abzuwarten. Erstens ist Google im Reich der Mitte eher ein Zwerg und zweitens funktioniert die "große Firewall", die kritische Websites sperrt und verstümmelt, auch so ganz gut. Wir erklären, wie.

Welch ein Meisterwerk: Auf fast 9.000 Kilometern Länge schlängelt sich die Chinesische Mauer durch das Land und versetzt Touristen in begeistertes Staunen. Wenig ruhmreich präsentiert sich hingegen die "große Firewall von China", steht sie doch für die Zensur von Internet-Inhalten durch die chinesische Regierung. Davon hat nun offenbar auch Google die Spürnase gestrichen voll (wir berichteten): Der Suchmaschinenriese will seine Treffer in China nicht mehr zensieren und erwägt sogar den Rückzug aus dem Land mit der größten Internet-Gemeinde der Welt.

30.000 Zensoren mauern an der "großen Firewall von China"

Rund 340 Millionen Internet-Nutzer und der am schnellsten wachsende Online-Markt der Welt – China ist, hört man auf die Auguren, längst im Informationszeitalter angekommen. Ökonomisch betrachtet ein Pfund, mit dem die Parteisoldaten wuchern können. Politisch nicht ganz unproblematisch. Schließlich tummeln sich im Netz unzählige Websites, die regierungskritische Inhalte verbreiten. Dabei geht es um ein freies Tibet, das Massaker auf dem "Platz des himmlischen Friedens" 1989 oder die Inhaftierung von Dissidenten. Die Herrschenden reagieren mit einer strengen Zensur, bei der laut Schätzungen etwa 30.000 Mitarbeiter täglich die Freiheit der surfenden Chinesen beschneiden. Dazu bedienen sie sich einer perfiden Mischung technischer Maßnahmen, die unter dem Begriff "große Firewall von China" in westlich geprägten Kulturen traurige Berühmtheit erlangt haben.

Blockade von IP-Adressen

Ist die chinesische Regierung mit den Inhalten einer Site nicht einverstanden, blockt sie deren IP-Adresse. Diese Vorgehensweise ist relativ einfach umzusetzen und dabei wirkungsvoll. Für den User ist die gesperrte Website nicht mehr sichtbar. Umgehen ließ sich diese Art der Zensur in der Vergangenheit häufig durch gewöhnliche Proxy-Server im Ausland. Dabei wurden Verbindungen zu den Servern aufgebaut und alle Anfragen zunächst an ihn geleitet. Anschließend vermittelte der Proxy diese weiter und ermöglichte dadurch freien Zugriff auf das Internet. Inzwischen haben die chinesischen Zensurbehörden allerdings die meisten Proxy-Server unbrauchbar gemacht.

Filtern und Blockieren von Schlüsselwörtern

Etwas filigraner, aber mindestens genauso effektiv, agiert die Regierung beim Filtern und Blockieren von Schlüsselwörtern. Dabei durchsucht sie IP-Pakete, die bei jeder Internet-Kommunikation zwischen User und Anbieter hin- und hergeschickt werden, nach kritischen Begriffen. Dazu zählen beispielsweise "Free Tibet" oder "Dalai Lama". Üblicherweise erfolgt der Datenaustausch zwischen Website und Surfer mittels einer TCP-Verbindung (Transmission Control Protocol) über HTTP (Hypertext-Übertragungsprotokoll). Entdecken die Zensoren nun in diesem Austausch unbequeme Schlüsselwörter, so senden sie den Teilnehmern sogenannte TCP-RST-Pakete, die zum Abbruch der Verbindung führen.

Um dies zu verhindern, greifen viele Nutzer auf virtuelle private Netze (VPN) oder das sichere Hypertext-Übertragungsprotokoll HTTPS zurück, wie es beispielsweise im Online-Banking üblich ist. Dabei werden die Datenpakete verschlüsselt übertragen.

Subtile Zensur häuft sich

Nicht immer setzen die selbst ernannten Sittenwächter auf das komplette Sperren von Websites und erbarmungslose Kappen von Verbindungen. In jüngster Vergangenheit fielen sie vermehrt durch subtile Zensur auf. So ließ sich das Clip-Portal YouTube auch in China problemlos öffnen. Sogar das Video von einem Studenten, der während der Demokratieproteste 1989 in Peking auf einen Panzer kletterte, war auffindbar –allerdings nicht abspielbar. Suchten chinesische Surfer bei Wikipedia nach dem "Platz des himmlischen Friedens", Schauplatz der Demonstrationen, so wurde der Eintrag über diesen durchaus angezeigt. Der zugehörige Link, der auf die Seite über die blutige Niederschlagung der Studenten verwies, führte jedoch ins Leere.

Hoffnung ausgerechnet durch Google?

Ausgerechnet Google, dessen chinesischer Auftritt bislang auf Grund der Selbstzensur nach westlichen Maßstäben wenig glänzt, könnte nun zu einem Hoffnungsschimmer für das freie Internet im Reich der großen Mauern werden. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob sich die chinesische Regierung auf das Gesprächsangebot der Konzernverantwortlichen einlässt. Ansonsten sind die Tage des Suchmaschinen-Krösus in der ostasiatischen Republik gezählt.

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