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Donnerstag, 15. Oktober 2009

WM-Qualifikation: Maradona entsetzt Argentinien

Maradona entsetzt Argentinien

Ein Land atmet auf. Argentinien ist für die Fußball-WM qualifiziert. Doch wer gedacht hatte, dass die Nation jetzt in Freudentaumel übergeht, sieht sich getäuscht. Denn die schlechteste WM-Qualifikation seit Jahrzehnten nagt genauso am Mythos Diego Maradona wie der neue Ausfall des Nationaltrainers.

Auf diesen Moment hatte Diego Maradona lange gewartet. Dem Jubel über die WM-Qualifikation folgte die Abrechnung mit seinen Kritikern. In bester Feldherrenart stapfte Argentiniens Nationaltrainer mit stolzgeschwellter Brust durch die Katakomben des Stadions "Centenario" von Montevideo, in dem seine Elf kurz zuvor Gastgeber Uruguay durch ein spätes Tor von Mario Bolatti (84. Minute) mit 1:0 besiegt hatte, und feuerte vor laufenden Fernsehkameras eine verbale Breitseite gegen die Presse ab.

Maradonas Ausbruch

"Denjenigen, die nicht an mich geglaubt haben, sage ich - die Damen mögen das entschuldigen - ihr könnt mir einen blasen", pöbelte Argentiniens Fußball-Idol zur besten Sendezeit. Rudi Völler lässt grüßen. Im Vergleich zu Maradonas Schimpftiraden wirkt die legendäre Wutrede des ehemaligen Bundestrainers im Anschluss an ein torloses Remis gegen Island allerdings wie der Diskurs eines Klosterschülers.
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Maradonas Zornesausbruch machte deutlich, unter welchem Druck der 48-Jährige in den vergangenen Monaten gestanden haben muss. Mit ihm an der Seitenlinie absolvierte Argentinien eine der schlechtesten WM-Qualifikationen seiner Geschichte. Unter seiner Führung ließen die "Gauchos" zu keinem Zeitpunkt eine Strategie erkennen. Eine Stammelf, ganz zu schweigen von einem taktischen System, ist Maradona bislang schuldig geblieben. Vielmehr gleicht seine einjährige Amtszeit einer endlosen "Casting-Show", mit ständig neuen Namen. Insgesamt hat Maradona in seiner noch kurzen Ära 78 verschiedene Spieler berufen. Auch gegen Uruguay bot der zweifache Weltmeister erneut eine dürftige Leistung, ehe Bolatti die erste echte Torchance nutze und ganz Argentinien kurz vor 21 Uhr Ortszeit in einen kollektiven Freudentaumel versetze.
Das ganze Land hielt den Atem an

Zuvor hatte das Land zwei Stunden den Atem angehalten. Die Straßen der Millionenmetropole Buenos Aires waren wie ausgestorben. Wo sich sonst zur Feierabendzeit tausende Autos Stoßstange an Stoßstange schleppend voran quälen, herrschte gespenstische Leere. Die Angst, erstmals seit 1970 einer WM-Endrunde fernzubleiben, trieb die Argentinier zu Hause oder in Kneipen vor die Fernsehgeräte. Doch statt den Triumph zu genießen, teilte Maradona in ordinärer Weise aus: "Ich danke den Fans und den Spielern, aber niemandem sonst. Die, die nicht an die Nationalmannschaft geglaubt haben, sollen weiter Schwänze lutschen. Die haben mich wie Müll behandelt." Den Tiefpunkt seiner Schimpftiraden erreichte Maradona auf der Pressekonferenz, als er einen Journalisten persönlich angriff. "Du gehörst zu denjenigen, die einen stecken haben", ätzte er.
Maradona mit überschwängliche Jubelarien

Unmittelbar nach dem Schlusspfiff hatte Maradona bereits für eine groteske Szene am Spielfeldrand gesorgt, als er ausgerechnet seinem Intimfeind Carlos Bilardo weinend um den Hals fiel und ihm zurief: "Sie sollen mir alle einen blasen, Carlos." Bilardo, der die "Albiceleste" 1986 in Mexiko zum Weltmeistertitel geführt hatte, schluchzte: "Sie wollen Dich ausradieren." Das Triumphgefühl schien bei den beiden Intimfeinden zu einer Amnesie geführt zu haben. Bilardo, der sich offiziell Generaldirektor für die Auswahlmannschaft nennt, gilt als Aufpasser und Plan "B", sollte das Projekt mit Maradona scheitern. Getreu dem Motto "Schuld sind immer die Anderen", überraschte Maradona zudem mit der Aussage: "Dass wir uns streiten ist eine Erfindung der Presse."

Im Überschwang der Gefühle posaunte ein sichtlich euphorisierter Maradona, "dass mich meine Spieler heute zu ihrem Trainer gekürt haben". Er sie sehr stolz auf seine Elf, sagte der legendäre Ex-Mittelfeldregisseur und fuhr fort: "Uruguay ist eine sehr gute Mannschaft und hat in jeder Minute um ihr Leben gespielt, aber wir haben wie echte Männer gegen sie gewonnen und sind ohne die Hilfe von irgendjemand anderem bei der WM dabei."
Maradona unbeliebt bei Fans und Medien

Markige Aussagen, die angesichts der abermals dürftigen Darbietung von Messi und Kollegen nichts Gutes für den argentinischen Fußball befürchten lässt. "Seine Mannschaft hat sich qualifiziert, als wäre sie Venezuela. In der gesamten Partie hat sie nur einmal gefährlich auf das Tor geschossen", kommentierte die argentinische Tageszeitung "Clarin" mit beißender Ironie. Mit seinem proletenhaften Auftritt habe sich Maradona zudem als unwürdig für das Amt des Auswahltrainers erwiesen. Auch bei den Fans genießt der einstige Liebling nur noch geringen Rückhalt. Laut einer Umfrage der gleichen Zeitung sprechen sich 85 Prozent für einen Rücktritt Maradonas aus. Selbst die Spieler geben sich momentan zurückhaltend. So gab der in die Jahre gekommene Mittelfeldstar Juan Sebastian Veron gegenüber der einflussreichen Zeitung "Cronica" zu, Argentinien habe Nachholbedarf: "Wir sind kein Kandidat für einen WM-Sieg". Im Land des zweimaligen Weltmeisters hört man solch eine Aussage nur äußerst ungern.
Markige Sprüche statt Selbstkritik

Nach teils desaströsen Leistungen und zuletzt drei Auswärtsniederlagen in Folge, darunter das peinliche 1:6 bei Fußball-Zwerg Bolivien, hatte die "Albiceleste" bis zum letzten Spieltag um die direkte Qualifikation zittern müssen. Mit dem Sieg im südamerikanischen Fußballklassiker und nunmehr 28 Punkten ist der vierte Tabellenplatz hinter den bereits qualifizierten Mannschaften aus Brasilien, Paraguay und Chile und damit das Ticket zur WM jedoch sicher.

Doch Selbstkritik gehört nicht zu Maradonas Repertoire. "Ich bin entweder Schwarz oder Weiß. Grau gibt es bei mir nicht", stellte er klar. Beinahe drohend schickte er an die Journalisten hinterher: "Ich habe ein gutes Gedächtnis. Ich weiß genau, wer an uns geglaubt hat und wer nicht." Die wichtigste Frage, ob er in Südafrika immer noch auf der Bank sitzen werde, wollte Maradona indes nicht beantworten. Stattdessen kündigte er ein Treffen mit Verbandspräsident Julio Grondona an: "Ich werde darüber mit ihm sprechen." Maradona bleibt nicht nur anderen ein Rätsel – sondern auch sich selbst.

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