NewsKopie: Genervt von YouTube: "bustallmajors.com" sperrt alle blockierenden Plattenfirmen aus

Donnerstag, 10. März 2011

Genervt von YouTube: "bustallmajors.com" sperrt alle blockierenden Plattenfirmen aus

Wie du mir, so ich dir

"Dieses Video ist in deinem Land nicht verfügbar." Christoph Mäschig, 32, und Mathias Keswani, 34, nervt es, dass viele YouTube-Clips für deutsche Nutzer versteckt bleiben. Mit der Seite bustallmajors.com wehren sie sich.
jetzt.de: Mathias, geht es um YouTube, liest man immer mal wieder das Wort Geoblocking. Was ist das?
Mathias: Geoblocking ist eine Methode, um Nutzern aus verschiedenen Geozonen den Zugang zu Inhalten im Internet zu verwehren. Die IP-Adresse des Nutzers wird getrackt – wenn er aus einem Land kommt, das ich in Ordnung finde, darf er auf meinen Inhalt zugreifen. Wenn nicht, dann wird er geblockt. Geoblocking ist genau das, was YouTube macht.

Ist das Zensur?
Ehrlich gesagt empfinde ich das vor allem als nervig. Ich würde den großen Begriff Internetzensur aber nicht in den Raum werfen.

Was hat die von dir mitentwickelte Internetseite bustallmajors.com mit Geoblocking auf YouTube zu tun?
Im Grunde genommen ist bustallmajors.com eine humoristische Art, auf die Problematik des Geoblockings zu reagieren. Es ist Satire – wir haben nicht die Intention, einen Krieg zwischen Netzgemeinde und Plattenfirmen anzuzetteln. Christoph und ich waren auf YouTube unterwegs und konnten uns mal wieder bestimmte Videos nicht ansehen. Da haben wir uns gedacht: Wenn wir ihren Content nicht einsehen dürfen, wieso sollen die dann unseren sehen dürfen? Diesen Gedanken fanden wir lustig und haben diese kleine Seite gemacht, als humorvolle Reaktion.

Gegen wen richtet sich eure Sperre?
Wir haben die rausgesucht, deren Content auf YouTube geblockt wird. Das sind die vier großen Plattenfirmen Warner, Sony Music Entertainment, EMI und Universal sowie die GEMA, die deutsche Musikverwertungsgesellschaft.


Wie funktioniert die Blockade technisch?
Auf der Seite gibt es ein kleines JavaScript, das wir entwickelt haben. Das können die Leute in den Quellcode ihrer Seite einbinden. Das Script macht dann über den Server automatisch eine Abfrage, wenn jemand auf diese Seite zugreifen will: Von wo aus greift da gerade jemand auf die Seite zu? Wenn du nun bei Sony Music oder EMI sitzt, die alle eine Standleitung haben, dann sagt das Script: Du darfst nicht rein. Das Script reagiert allerdings nur, wenn tatsächlich einer der Begriffe vorkommt, die ihm vorgegeben wurden, und funktioniert nicht bei dynamischen IP-Adressen, also bei denen, die der Großteil der Internetnutzer hat. Und, man muss sagen: Das alles ist keine große Programmierkunst. Wenn man dieses Script einbaut, wird zwar "Der Inhalt dieser Seite ist für dich nicht verfügbar." angezeigt. Wenn die Leute technisch versiert sind, können sie aber trotzdem auf die geblockte Seite zugreifen. Es ist also kein Script, das die Leute zu hundert Prozent ausschließt.

Ihr schreibt: "Das tut uns nicht leid". Man kann eure Idee als internetpolitischen Aktivismus deuten. Glaubst du, eure Aktion könnte ausreichend Druck auf YouTube oder die Major Labels ausüben, damit sie etwas ändern?
Keiner zieht hier wirklich in den Krieg. Alle wissen, dass diese Aktion keine Reaktionen von YouTube oder den Plattenfirmen hervorrufen wird, die wirklich was ändern werden. Das ist schlicht und ergreifend eine nette Aktion, die viele Leute toll finden. Man muss ganz klar wissen, dass die Interessen der Teilnehmer – YouTube und die Major Labels – zu groß sind, als dass sie reagieren würden. Das erwartet doch auch keiner. Wir zumindest nicht. Wenn sich dadurch trotzdem etwas ändert, dann ist das schön und würde die Netzgemeinde, uns inklusive, sicher freuen.

Trotzdem kann man das als Kampfansage gegen die Major Labels lesen. Sind Universal und Co denn heute die Bösen?
Nein, das kann man so nicht sagen. Sie verbreiten ja schon positive Dinge. Ich sehe das so: Die Aufgabe eines Musiklabels ist die eines Verlags. Ein Verlag soll den Content eines Künstlers möglichst vielen Menschen zugänglich machen. Und das machen die Indie-Labels auch. Was nun die Majors und die GEMA angeht: Da stehen finanzielle Interessen im Vordergrund. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen sich das Internet extrem schnell entwickelt hat, kann man verstehen, dass diese Firmen Wege finden müssen, zu überleben. Dass bestimmte Inhalte blockiert werden, geht dann zu Lasten der Musikfans. In den USA klappt das aber auch irgendwie zwischen YouTube und Plattenfirmen und es gibt Millionengewinne. Da stellt sich die Frage: Wieso kriegen wir das in Deutschland nicht hin? Das hat also alles nichts mit „gut oder böse“ zu tun, sondern mit der Frage, ob wir in der Lage sind, einen Kompromiss auszuarbeiten, der das hinkriegt und die Fans zufriedenstellt. Es geht gar nicht so sehr darum, zu sagen: "Plattenfirmen, ihr seid scheiße." Unsere Aussage ist: "Wir sind genervt".

Wie sind bislang die Reaktionen auf eure Idee?
Wir haben innerhalb der letzten 24 Stunden 40.000 Zugriffe auf unsere Seite gehabt, mittlerweile über 4.500 Facebook-Likes und hunderte Tweets. Das haben wir so nicht erwartet. Ich finde schön, dass die Leute die Aktion auch wirklich so verstanden haben, wie sie gedacht war. Es gab niemanden, der uns gegenüber da großartig kritisch reagiert hätte. Das Schöne ist: Du schreibst einen Code, verbreitest das im Netz, andere Entwickler sehen sich das an, arbeiten daran weiter und melden sich bei dir. Man tritt in den Dialog – und das macht uns natürlich tierisch Spaß.

Haben auch schon YouTube, die GEMA oder welche von den besagten Major Labels angeklopft?
Nein, überhaupt nicht. Damit rechnen wir auch nicht.

Erinnerst du dich an das letzte geblockte Video, das du bei YouTube schauen wolltest?
Ich glaube, das war der neue Britney Spears-Song. Aber schreib das bloß nicht, Mann. Ich komme aus der Punkszene. (lacht)

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