"Stern TV" hat einen Neuen: Das wöchentliche Fernsehmagazin auf RTL wird ab Januar nach 20 Jahren nicht mehr von Günther Jauch moderiert. Stattdessen übernimmt Steffen Hallaschka - dessen Qualitäten wurden bisher auf einem Abstellgleis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ignoriert.
Am Montagabend erklärte Steffen Hallaschka den Zuschauern der NDR-Sendung "Markt", dass Kaffee in den handelsüblichen Päckchen bisweilen gar nicht hundertprozentig ist, sondern aus Kostengründen mit Zucker oder Karamell gestreckt wird. Hallaschka warnte vor Girokonten, die von Banken als kostenlos beworben werden, es aber nicht sind. Und ging, an einer festlich gedeckten Tafel dinierend, der Frage nach, was Garnelen und Schampus von Aldi oder Lidl taugen. Was die Themen angeht, wird der 38-Jährige sich kaum umstellen müssen, wenn er von Januar an auf RTL "Stern TV" präsentiert. Dort ging es diesen Mittwoch um krankhaftes Schwitzen, um Omas, die mit Handys nicht zurechtkommen, und um eine Familie, die eine Woche lang ohne Leitungswasser lebt.
Wie "Markt" will "Stern TV" dem Zuschauer helfen, gut durch den Alltag zu kommen. Was noch glaubwürdiger wird, wenn auch der Moderator eine angenehme Biederkeit verströmt, die durchaus durch dosierten Wortwitz abgefedert werden darf. Wie sein Vorgänger Günther Jauch ist Hallaschka keiner, der es ins Fernsehen geschafft hat, weil er besser aussähe als der Durchschnittsdeutsche. Ginge es nach Glanzfaktor, Prominenz oder Schönheit, würde RTL auf Jauch nicht Hallaschka folgen lassen, den Einsachtundneunzig-Schlaks mit der großen Nase und den raumgreifenden Ohren. Sondern doch eher die RTL-Tanzshow-Gastgeberin Nazan Eckes, die laut Zeitungsberichten für dieses Amt im Gespräch gewesen sein soll. Oder, kurzzeitig ebenfalls als Jauchs Erbin gehandelt, Katja Burkard, die sich nun schon seit 13 Jahren durch "RTL Punkt 12" lispelt.
Offenbar ging es dem Kölner Sender nicht darum, ein Gewächs des eigenen Hauses zu höheren Weihen zu befördern. Man brauchte schlicht einen Moderator, der sein Handwerk versteht. Der vorgefertigte Ansagen so präsentiert, dass sie weder auswendig gelernt noch abgelesen klingen, was sich banal anhört, aber im Fernsehen längst nicht mehr selbstverständlich ist. Einen, der mit Menschen umgehen kann. Der Verbraucherthemen mit der nötigen Ironie präsentiert, aber nie von oben herab. Einer, dem man abnimmt, dass ihn auch persönlich die Frage umtreibt, wie man Grillfleisch korrekt einfriert. Der nicht das Gefühl vermittelt, er fühle sich zu Höherem berufen, aber trotzdem merken lässt, dass da noch Potential schlummert.
"Christiansen" mit den Mitteln von MTV
Bei seinem bisherigen Heimatsender, dem NDR, hat offenbar niemand erkannt, dass Hallaschka für die vorderste Reihe taugt. Man versteckte ihn im Dritten bei "Markt", ließ ihn nur ab und an ins Erste, um den "ARD-Ratgeber Technik" zu präsentieren. Ansonsten durfte er Feuerwehr spielen. Er war Tita von Hardenbergs Schwangerschaftsvertretung bei "Polylux". Wenn Julia Westlake und Jörg Pilawa anderes zu tun hatten, sprang er bei der "NDR Talkshow" ein, regelmäßig vertritt er auch deren Nachfolger. Und tut das mit so viel Esprit, dass man sich vor dem Fernseher bei dem Gedanken ertappt, es wäre schön, wenn Barbara Schöneberger noch recht oft schwanger wäre oder, was zugegeben ein gemeiner Wunsch ist, Hubertus Meyer-Burckhardt häufiger erkältet.
Als der NDR vor drei Jahren Eva Herman entsorgte, weil sie sich zu freundlich über die Familienpolitik der Nazis geäußert hatte, brauchte man ziemlich schnell einen neuen Talk-Partner für Bettina Tietjen. Dass dies Hallaschka sein sollte, galt in der Branche als schier naturgegeben. Die Überraschung war groß, als der Sender Yared Dibaba aus dem Hut zauberte. Noch größer war sie, als Dibaba nach zwei Jahren durch den Medizinclown Eckart von Hirschhausen ersetzt wurde, ohne dass von Hallaschka noch mal groß die Rede gewesen wäre.
Doch, einmal hatte man sich richtig was getraut mit Steffen Hallaschka. 2003 war es, da moderierte er für den WDR die Sendung "Kanzlerbungalow". Eine launige Polit-Show aus jenem muffigen Bonner Klotz, in dem allein Helmut Kohl mehr als 16 Jahre gewohnt und regiert hatte. Die "taz" lobte das Projekt als "Fortsetzung von 'Christiansen' mit den Mitteln von MTV", es gab einen Grimme-Preis, allein an Zuschauern fehlte es, weswegen das Format nur kurz währte.
Es ist nicht lange her, da war Steffen Hallaschka zu Gast in der "Stern"-Redaktion in Hamburg. Er war geladen, das Heft jener Woche zu kritisieren. Altgediente Redakteure begrüßten ihn als "kleinen Bruder unseres früheren Kollegen Andreas". Andreas Hallaschka, heute Chefredakteur der Zeitschrift "Merian", hatte in den neunziger Jahren erst das Berliner Büro des "Stern" geleitet und danach das Sportressort. Dass Steffen Hallaschka schon bald das Gesicht jener RTL-Sendung sein würde, dem das Heft jeden Mittwoch seinen Namen leiht, ahnte bei seinem Besuch am Hamburger Baumwall noch keiner. Wie viele Zuschauer "Stern TV" nur wegen Günther Jauch eingeschaltet haben, wird sich im neuen Jahr zeigen.
Freitag, 22. Oktober 2010
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen