Das Internet vergisst nicht, doch auch im Netz herrscht das Recht
Keine Frage, das Web ist ein vorzügliches Instrument, um Dinge über Menschen herauszufinden. Doch Spezialsuchmaschinen wie yasni.de und spock.com wissen mitunter mehr über die eigene Person als einem lieb ist. Doch Fotos von Partysünden oder rufschädigende Foreneinträge lassen sich entfernen.
Das Internet ist kein Ponyhof. "Immer häufiger wird Zwist aus dem wirklichen Leben, etwa Ärger zwischen Nachbarn oder Ex-Eheleuten, im Netz weitergeführt", sagt Thomas Volkmer, Mitbetreiber der Seite internetvictims.de aus Ingolstadt, einer Anlaufstelle für Opfer von Rufschädigung im Netz. Nicht nur Erwachsene tun einander in Foren, Video-Communitys oder Sozialnetzwerken Böses an. "Das "Cybermobbing" unter Jugendlichen ist ein großes Problem", beobachtet Christina Rhode von Klicksafe, einer Initiative mehrerer öffentlicher Träger für den sicheren Umgang mit dem Internet mit Sitz in Ludwigshafen.
Sich nur zu ärgern, bringt nichts, Betroffene sollten aktiv werden: "Einen Forumsbetreiber anzuschreiben und ihn um die Löschung eines verletzenden Beitrags zu bitten, kann jeder selbst übernehmen", sagt Rhode. Als Argument könne das Recht auf die "informationelle Selbstbestimmung" dienen. Oder man macht den Betreiber darauf aufmerksam, dass eine Beleidigung ein Straftatbestand ist.
"Wer auf Fotos oder Videos im Netz klar zu sehen ist, deren Veröffentlichung er nicht zugestimmt hat, kann auf deren Entfernung pochen", sagt Carsten Ulbricht, Rechtsanwalt und Experte für IT-Recht aus Stuttgart. Anders sieht es aus, wenn dem Seitenbetreiber per Geschäftsbedingung Nutzungsrechte an den Aufnahmen eingeräumt wurden.
Kommt es zum Rechtsstreit, ist bei verbalen Äußerungen Folgendes zu beachten: "Handelt es sich um eine überprüfbare Tatsachenbehauptung, die nachweislich falsch ist, muss der Beitrag grundsätzlich entfernt werden", sagt Ulbricht. "Betrüger" muss sich niemand nennen lassen, wenn er keiner ist. Unklarer ist die Situation bei Werturteilen: Was als freie Meinungsäußerung akzeptabel und was als Rufschädigung rechtswidrig ist, wird im Einzelfall entschieden.
"Der Ermessensspielraum ist groß und von Situation und Milieu der Beteiligten abhängig", sagt Ulbricht. In einem Fall habe ein Gericht sogar die Bezeichnung "Arschloch" in einem Forum für Fußballfans als "Äußerung des Missfallens" durchgehen lassen, weil die Teilnehmer deftige Sprache gewohnt seien.
Jugendsünden die nicht verjähren wollen
Doch viele Anwender werden nicht diffamiert: Sie haben selbst etwa Fotos vom eigenen Vollrausch veröffentlicht und wissen womöglich gar nicht mehr wo. Für solche Fälle gibt es Dienstleister, die gegen Gebühr Missliebiges zu entfernen beziehungsweise Positives zu platzieren versuchen. Online-Reputations-Management (ORM) heißt das.
Die Basis-Dienstleistung besteht darin, zusammenzutragen, was über den Kunden im Netz zu finden ist. "Zudem sichten wir auch Infos auf Seiten, auf die der Kunde keinen Zugriff hat, etwa Web-Archive oder geschlossene Sozialnetzwerke, erklärt Stefanie Peters vom Anbieter reputationdefender.com. Datenwachschutz.de oder deinguterruf.de sind ähnliche Dienstleister. Auf das Aufspüren peinlicher Fotos ist etwa ProComb spezialisiert. Die Gebühren für die Datendossiers starten bei rund 10 Euro pro Monat und werden vorzugsweise als Abo angeboten.
Im nächsten Schritt bieten die ORM-Dienstleister an, unliebsame Einträge zu entfernen, indem sie die Seitenbetreiber kontaktieren und um Kooperation bitten. Eine Erfolgsgewähr gibt es nicht. Zahlen muss man dennoch, wie etwa deinguterruf.de und reputationdefender.com auf ihren Seiten schreiben. Ein Löschauftrag kostet rund 20 bis 30 Euro.
"Für juristisch unerfahrene und bequeme Menschen ist das Angebot von Dienstleistern zunächst einmal eine überlegenswerte Alternative", so Thomas Volkmer von internetvictims.de. Rechtsberatung dürfen die ORM-Dienstleister nicht anbieten. Das ist aber nötig, wenn das Löschgesuch auf Widerstand stößt oder unklar ist, ob wirklich Anspruch auf Entfernung besteht.
Cybermobbing ohne Grenzen
Auch beim Cybermobbing stoßen die Dienstleister an ihre Grenzen. "Wenn jemand einen auf dem Kieker hat, bringt punktuelles Entfernen von Einträgen nichts. Heute gelöscht, steht morgen doppelt so viel Nachteiliges an anderer Stelle", so Volkmer. Dann helfe nur die Suche nach den Urhebern. "Mobbing-Opfer kommen am Gang zum Rechtsanwalt nicht vorbei." Tipps gegen Cybermobbing gibt es bei Klicksafe.
Im übelsten Fall können die Täter wegen Verschleierungstaktiken nicht identifiziert werden, oder die negativen Äußerungen werden vor Gericht als erträglich gewertet. Dann kommt ein anderer Ansatz von ORM-Dienstleistern ins Spiel. So ermöglicht MyOn-ID Nutzern, sich durch Anlegen einer Webseite ein Wunschprofil zu erstellen, das in Suchmaschinen unter den ersten Einträgen auftaucht.
Bildlich gesprochen ist das der Versuch, lauter zu schreien als die bösen Zungen im Netz. Bei MyOn-ID sind die Grundfunktionen kostenlos. Auch andere Anbieter gehen dazu über, solcherlei Profilmarketing anzubieten - oft kostenpflichtig. Zu Preisen ab rund 600 Euro positioniert reputationdefender.com etwa existierende Netzinhalte in Suchmaschinen höher - von PR-Textern überarbeitet.
Die Web-Weste reinzuwaschen kann also teuer werden. Christina Rhode empfiehlt, es gar nicht so weit kommen zu lassen: Wer wenig Persönliches im Netz preisgibt, macht sich weniger angreifbar. "Zum Beispiel Identitätsdiebstahl, also das Anlegen von Profilen unter falschen Namen, wird dadurch schwieriger."
Mittwoch, 10. Juni 2009
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