Die ganze Welt hat ihm auf den Titelseiten der Zeitungen und in den Radiostationen die letzte Ehre erwiesen. Das Ausmaß der Trauer um Michael Jackson war gewaltig und global - und wird einem Musiker in dieser Form wohl nie wieder zuteil werden. Im Zeitalter von iPods und TV-Formaten wie "Deutschland sucht den Superstar" sind herkömmliche Idole nach Ansicht von Experten passé. Zweifellos gibt es noch genug Stars, deren Tod eines Tages von Fans weltweit betrauert werden wird - wie Bono, Mick Jagger, Madonna und Paul McCartney. Trotzdem bezweifeln Insider, dass jemals wieder ein Einzelner einen solchen Einfluss auf die globale Popkultur ausüben wird wie Jackson, der 750 Millionen Alben verkaufte und das Musikvideo praktisch erfand.
"Michael Jackson ist nicht nur der King of Pop, er ist der letzte King of Pop", sagt der schottische Songwriter und Autor Nick Currie, der unter dem Künstlernamen Momus auftritt. Nach seinen Worten ließ der Einzug der Digitaltechnik den Musikmarkt in kleine, gezielt beworbene Gruppen zerfallen. "Auch sind Jacksons Kombination von Talenten, sein neurotischer Arbeitstrieb und seine Exzentrik einfach selten", betont Currie. "Solch ein Stern fällt so schnell nicht wieder vom Himmel."
Der Chefredakteur der einflussreichen US-Musikwebsite Pitchfork, Scott Plagenhoef, erinnert sich an die Zeit vor Jacksons Aufstieg: Damals habe die Musikindustrie an Boden verloren, erst durch Jacksons bahnbrechendes "Thriller"-Album 1982 und die Einführung von CDs und Musikvideos sei es wieder aufwärts gegangen. "Nun gibt es aber mit Kabel- und Satellitenfernsehen, DVDs und Videospielen so viele Unterhaltungsangebote", sagt Plagenhoef. "Musik scheint nicht mehr diesen zentralen Einfluss auf die Jugend- und Popkultur zu haben."
Die enorm beliebten Superstar-Serien wie "DSDS" in Deutschland oder "American Idol" in den USA haben den Musikmarkt nach Ansicht von Plagenhoef außerdem demokratisiert, weil das Publikum seinen Star nun selbst wähle. "Popstars sind bei weitem nicht mehr so geheimnisvoll und mystisch wie zu Zeiten von Michael Jackson." Der kalifornische Musikexperte Jerry Del Colliano glaubt hingegen, die Welt werde immer Stars produzieren - nur ihre Definition werde schwieriger.
Eine Messlatte wie 750 Millionen verkaufte Alben sei irrelevant, wenn die Fans die Musik kostenlos im Internet herunterladen. "Selbst wenn der Michael Jackson von `Thriller? wieder auferstehen würde - er könnte keine CDs mehr verkaufen, weil das vorbei ist", sagt er. "LPs sind vorbei, CDs sind vorbei und legale Downloads sind auch bald vorbei." Del Colliano zufolge würde ein neuer Superstar aus der Welt sozialer Plattformen wie Facebook und MySpace kommen. "Es wird immer eine Ikone geben, die mehr Talent hat als alle anderen, auch wenn sich die Kanäle ändern, durch die es uns erreicht."
Currie hingegen erwartet, dass sich die Musikwelt wieder zur Klassengesellschaft entwickelt, wie der Soziologe Pierre Bourdieu das in den 60er Jahren in Frankreich vorfand: Seinen Untersuchungen zufolge bevorzugten Büroangestellte damals anspruchsvolle klassische Musik, während Arbeiter billigen Pop hörten.
"Einige Jahrzehnte später hatte die postmoderne Konsumkultur dies ausgeglichen, zumindest oberflächlich: Über Michael Jackson zum Beispiel sprach jeder." Inzwischen sei die Interaktion zwischen Gruppen mit unterschiedlichem Geschmack aber durch die zielgruppenspezifischen Foren im Internet erschwert, sagt Currie: "Wir werden wieder erleben, wie verschiedene Schichten sich unterschiedliche Kulturen zu eigen machen."
Dienstag, 7. Juli 2009
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