Urteile: Wie laut darf der Fernseher sein?
TV-Lärm und Heimkino-Krach im Mehrfamilienhaus können für Ärger sorgen. Sogar der Bundesgerichtshof hatte sich dieses Problems angenommen.
Das Urteil erging wie üblich im Namen des Volkes, aber welcher Teil des Volkes nun gewonnen hat, war nicht so eindeutig – der Teil, der abends einen Film genießt, oder der andere Teil, der seine Ruhe haben will. Der Bundesgerichtshof lehnte Anfang des Jahres eine Klage ab, bei der es um die Zulässigkeit einer Abmahnung wegen TV-Lautstärke ging (Aktenzeichen VIII ZR 139/07 vom 20. Februar 2008).
Zulässig war sie, befand der achte Zivilsenat, aber ohne jede Beweiskraft. Nachdem diese Entscheidung sogar im Videotext der ARD als Sieg der Lärmfraktion gefeiert wurde, ist eine Zusammenfassung der Situation angebracht. Denn sonst kann es teuer werden.
Die Zimmerlautstärke und das Recht auf Ruhe
Zentral für das Recht auf Ruhe oder auf Lärm ist der Begriff der Zimmerlautstärke. Die darf, so sagt es die Rechtsprechung, während der so genannten Ruhezeiten nicht oder allenfalls sehr geringfügig überschritten werden. Die Ruhezeiten sind definiert als 22 Uhr abends bis sechs Uhr morgens. In manchen Fällen haben Gerichte aber auch schon ganztägig die Einhaltung der Zimmerlautstärke verlangt. Eine feste Definition dieser Lautstärke gibt es nicht. Man kann sich jedoch an der so genannten TA Luft orientieren, der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm, einer Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionschutzgesetz. Dort sind 25 dB Schalldruck für die Nacht angegeben, 35 dB am Tag. Da das aber Werte sind, die vor allem für Verkehr, Industrie und Ähnliches gelten, sind diese Maßstäbe nicht einfach zu übertragen. In einer ruhigen Wohnumgebung wird 25 dB viel zu viel sein, um noch toleriert werden zu können.
Auf jeden Fall ist immer maßgeblich, was beim Opfer ankommt, was den Begriff Zimmerlautstärke natürlich auf den Kopf stellt: Im Zimmer darf es so laut sein, wie man will, wenn nichts nach außen dringt.
Die Beweislage - Abmahnung wegen zu lautem Ton
Das Urteil des Bundesgerichtshofs bezog sich auf eine Abmahnung, die einem Mieter wegen zu lautem Ton zugestellt worden war. Der BGH lehnte es ab, die Abmahnung für ungültig zu erklären, weil sie keinerlei Beweiskraft habe, so die Richter. Rechtlich ist es so, dass der Vermieter mit diesem Mittel seinen Mieter informieren muss, dass zu laute Musik oder Filmsound einen Verstoß gegen seine Pflichten darstellt. Die Abmahnung selbst ist aber keinerlei Beweis, dass der Mieter sich falsch verhalten hat. Die Rechtslage ist hier also anders als im Arbeitsrecht.
Wenn es allerdings ernst wird, sind harte Fakten gefragt. In der Regel genügt es nicht, wenn sich jemand gestört fühlt. Zwar kann ein Vermieter andere Mieter als Zeugen benennen, denen wummernde Bässe im Haus die Nachtruhe geraubt haben. Wenn aber nur Aussage gegen Aussage steht, ist es für jeden Richter schwierig, eine Entscheidung zu treffen. Treten mehrere Zeugen auf, sieht das schon anders aus, doch auch dann ist eine Verurteilung auf Basis von Hörensagen eher unwahrscheinlich.
Mögliche Beweise können unabhängige Zeugen sein, die vor Ort waren, als es quer durchs Haus dröhnte. Für ein eindeutiges Urteil bedarf es in der Regel harter Fakten, etwa in Form von Gutachten unabhängiger Sachverständiger. Und dann möchte sich möglicherweise ein Richter selbst ein Urteil bilden, indem er den Grad der Belästigung persönlich überprüft. Doch in den meisten Fällen kommt es dazu nicht.
Vor Gericht - Nachbarschaftsstreitigkeiten so beliebt wie Beamer-Ausfall
Nachbarschaftsstreitigkeiten sind vor Gericht ungefähr so beliebt wie der Ausfall der Projektorlampe am Kinoabend. Das sollte man bedenken, wenn man sich auf eine juristische Auseinandersetzung mit Vermieter oder Nachbarn einlässt. Denn es bedeutet, dass Richter als Erstes versuchen werden, die Parteien zu einer gütlichen Einigung zu bewegen.
Als Unruhestifter ist es daher gut, wenn man ein paar Zugeständnisse in petto hat, auch wenn kaum jemand deren Wirkung vorher beurteilen kann – etwa das Einschalten der Dynamikkontrolle, die Montage von Bass-Shakern in den Sesseln und, besser überprüfbar, die Einschränkung auf bestimmte Tage und Uhrzeiten.
Wenn es aber hart auf hart kommt, muss man vorsichtig sein. Denn wenn das Gericht aufwändige Gutachten anordnet, kann es recht teuer werden, und zwar für alle Beteiligten. Und falls der Richter keine Lust darauf hat, fällt er schon mal ein harsches Urteil, das alles andere als gerecht ausfallen kann.
Kläger und Beklagte
In der Regel ist der Betreiber einer Heimkino-Anlage der Verursacher des Ärgers und damit auch der Beklagte. Kläger können sowohl der Vermieter als auch Nachbarn sein; ein Vermieter kann mit der Kündigung drohen, Nachbarn mit Schmerzens- und Zwangsgeldern beziehungsweise sogar Schadenersatz, was auch bei Eigentumswohnungen möglich ist. Natürlich sind auch die Gerichtskosten eine nicht unerhebliche Strafe, wenn man verliert.
Da Grund für eine Klage aber nicht der Betrieb des Home Cinema an sich sein kann, sondern nur das, was beim Nachbarn ankommt, lässt sich die Situation auch umdrehen: Kann man den Nachbarn überzeugen, dass man keinen übermäßigen Lärm veranstaltet, kann auch der Hausbesitzer der Beklagte sein – mit dem Ziel, dass er die Schalldämmung im Haus verbessert, womit allen Parteien gedient wäre. Im Erfolgsfall muss man jedoch damit rechnen, dass Modernisierungskosten dieser Art auf die Miete umgelegt werden. Das ist aber immer noch besser, als wenn man die Kosten der Dämmung ganz alleine tragen muss.
Vergnügen an der Klage harmloser Zuschauer
Notorische Gerichtshanseln haben ihr Vergnügen daran, andere zu verklagen; doch für die Opfer ist das kein Spaß. Genauso wenig ist es lustig, wenn man nachts nicht schlafen kann, weil der Nachbar eine Spätvorstellung in seinem Privatkino gibt. Rücksicht ist also auf allen Seiten gefordert, und darauf arbeiten die Gerichte in Normalfall hin. Als Verursacher dessen, was die Nachbarn als Lärm empfinden, sollte man von sich aus alle Maßnahmen ergreifen, die machbar sind. Auf ein Urteil sollte man es nicht ankommen lassen, denn der Juristenmund sagt treffend: Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand.
Was der Anwalt sagt...
Krach ums zu laute TV-Gerät
* Wilhelm Michalke ist Rechtsanwalt in Eggenfelden und spezialisiert auf Mietrecht.
* -?„Ein Recht auf Lärm ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Ein Mieter hat deshalb keinen Anspruch, in seiner Wohnung gelegentlich lautstark zu feiern oder ein Home Cinema zu betreiben.“
* -?„Wenn die Wohnung ausgesprochen hellhörig ist, so dass sie den üblichen Anforderungen nicht entspricht, könnte man daran denken, aus diesem Grund die Miete zu mindern. Dies gilt sowohl für denjenigen, der eine Surround-Anlage betreiben will, als auch für denjenigen, dessen Nachbar eine solche Anlage betreibt.“
* -?„Der Vermieter hat die Möglichkeit, den Mieter abzumahnen und im Wiederholungsfall den Mietvertrag zu kündigen. Hierbei kann er sich, wenn er von einem Nachbarn auf die Störungen aufmerksam gemacht wurde, dieses Nachbarn als Zeugen bedienen.“
* -?„Nach der erfolgreichen Klage eines Nachbarn ist das Überschreiten der Zimmerlautstärke verboten, und wenn die Zimmerlautstärke trotzdem überschritten wird, kann vom Gericht ein Zwangsgeld festgesetzt werden, das an die Staatskasse zu zahlen ist. Ersatzweise kann sogar Zwangshaft angeordnet werden.“
* -?„Um solche Folgen zu vermeiden, ist es ratsam, sich vorher zu verständigen. Vielleicht kann man einen Tag festlegen, an dem die Anlage länger betrieben werden darf. Aber: Die Gegenseite sitzt immer am längeren Hebel.“
Donnerstag, 28. Mai 2009
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