Die erste Kinoflatrate Deutschlands verbirgt sich hinter einem einfachen Stück Plastik. Das kreditkartenähnliche Billett ist der jüngste Coup der Cinemaxx-Gruppe. Ein Jahr lang ins Kino gehen, wann, wo und so oft der Besitzer es will. Kostenpunkt: 250 Euro. Die Flatrate rentiert sich, wenn die Karte gut dreimal monatlich eingesetzt wird - eine Offerte also für den echten Filmfreak.
Not macht erfinderisch: An der Misere der deutschen Kinobetreiber wird die Flatrate aber nichts ändern. Home-Entertainment-Anlagen, der Siegeszug der DVD und die Möglichkeit, sich übers Internet Raubkopien anzusehen, haben der Branche zugesetzt. Allen Unkenrufen vom "Kinosterben" zum Trotz ist die Zahl der Spielstätten zwar mit etwa 1800 über die Jahre hinweg gleich geblieben. Doch die Auslastung der Kinosäle sinkt - in den vergangenen fünf Jahren um etwa 20 Prozent auf 125 Millionen Zuschauer im Jahr 2007. Entsprechend schrumpfte der Erlös um 200 Mio. Euro.
Schon seit Längerem locken die großen Lichtspielhausketten daher mit Bonusprogrammen wie Freikarten oder verbilligtem Knabberzeug. Die Cinemaxx-Flatrate ist aber der bislang radikalste Versuch der Kundenbindung: Wer sie bezahlt hat, wird kaum noch in die Kinos von Cineplex, UCI oder Cinestar gehen.
"Wir verfolgen das mit großem Interesse - es ist gut, dass Cinemaxx diesen Schritt getan hat", sagt etwa Andreas Crüsemann, Marketingchef der konkurrierenden Cineplex-Gruppe. Branchenkenner erwarten, dass über kurz oder lang andere Kinoketten mit ähnlichen Angeboten nachziehen.
Cinemaxx geht mit der Flatrate ein Wagnis ein. Treue Kunden hat die Gruppe schließlich bitter nötig: Im Geschäftsjahr 2007 stand für den Konzern bei einem Umsatz von rund 160 Mio. Euro ein Verlust von 5 Mio. Euro unter dem Strich.
Diese müssen durch die jüngste Offerte nicht unbedingt kleiner werden: Der Nutzer sieht schließlich so viele Filme, wie er will, und zwar zum Festpreis. Mit den Verleihern muss die Gruppe aber jede gelöste Karte einzeln abrechnen, einen Paketpreis gibt es nicht. Das heißt, je öfter der Kunde seine Jahreskarte einsetzt, desto weniger bleibt von den 250 Euro für den Kinokonzern übrig.
Bei Vielnutzern muss am Ende womöglich noch draufgezahlt werden. "Das Risiko ist noch höher als bei anderen Angeboten, vor allem weil es eine Neuheit ist und wir keine Vergleichswerte haben", sagt Thilo Rieg, Marketingchef bei Cinemaxx. Für ihn gleicht die Einführung einem Feldversuch. "Wir wissen nicht genau, was passieren wird." Zugleich experimentiert der Konzern mit einem Luxuskonzept in einigen Spielstätten: Ledersessel, Beistelltische, Service am Platz.
Auch Wettbewerber UCI investiert nach Angaben des Geschäftsführers Ralf Schilling "sehr stark" in Lounge- und Cafébereiche für die Kinofoyers.
Und auch hier gibt es Probleme: Die Filmverleiher wollen am Geschäft mit Süßwaren und Getränken beteiligt werden - Begehrlichkeiten, die bei den Betreibern nicht auf Gegenliebe stoßen. Denn das Geschäft ist äußerst margenstark und für die Kinos größte Einnahmequelle. Der Druck wächst, weiß ein Branchenkenner: "Das ist nichts, was die Verleiher offiziell zugeben würden. Aber sie argumentieren: Wenn wir dir keine Filme ausleihen würden, würdest du keine einzige Popcorntüte verkaufen."
"Nur wenn es den Betreibern gelingt, wieder mehr Menschen in die Kinos zu bekommen, wird sich etwas an ihrer Situation ändern", sagt Timo Busch, Geschäftsführer des Filmmarketinganbieters Moviemedia. "Möglicherweise wird Cinemaxx für einige Zeit den eigenen Marktanteil leicht vergrößern können. Aber sobald die anderen Wettbewerber mit ähnlichen Geboten nachziehen, wird sich das wieder ausgleichen."
Der Erfolg der Kinocard ist bislang eher bescheiden. Seit die Aktion Anfang Oktober gestartet wurde, gingen rund 600 Karten über die Kassentheke - bei 37 Häusern in Deutschland macht das im Schnitt 16 pro Kino. Bis Ende des Jahres will Cinemaxx bundesweit immerhin 1000 Karten im Umlauf haben.
Für die wichtige Zielgruppe der Geschäftskunden, die alljährlich zu Weihnachten Kinogutscheine en masse einkaufen, ist die Jahreskarte allerdings kaum eine Option. Denn der Preis liegt deutlich über dem Höchstbetrag, der sich pro Geschenk steuerlich absetzen lässt.
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