Elektronischer Personalausweis soll Kinder und Jugendliche vor Netzgefahren schützen
Der elektronische Personalausweis kommt. Ab November 2010 wird der alte Ausweis abgelöst. Jugendschützer wollen den neuen ePerso bereits für Zwölfjährige. Die Bundesregierung bezweifelt, ob Kinder reif genug sind, den Ausweis sinnvoll zu nutzen.
Der ePerso im Scheckkartenformat rüstet den herkömmlichen Ausweis mit elektronischen Funktionen auf. Ein RFID-Funkchip macht's möglich. Der Speicherchip enthält zunächst nur das gesetzlich vorgeschriebene digitale Foto. Alle weiteren Funktionen sind freiwillig. Dazu gehört auch der "elektronische Identitätsnachweis", ein Internetausweis, dessen Daten auf dem Chip gespeichert werden.
"Internetausweis ist kein Selbstläufer"
Der neue Ausweis sei ein "echtes Multitalent", meint Ulrich Hamann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bundesdruckerei, die die neuen Ausweisdokumente produziert. "Mit dem elektronischen Personalausweis verfügen wir über einen digitalen Stellvertreter im Netz." Behördengänge ließen sich künftig "komfortabel und zeitunabhängig von Zuhause" absolvieren. Und auch das Online-Shopping werde viel bequemer und vor allem sicherer.
Doch die schöne neue Online-Shopping- und Behördenwelt kann nur funktionieren, wenn möglichst viele Bürger ihren neuen Ausweis auch tatsächlich freiwillig zu einem Internetausweis aufrüsten. Wenn auf dem Chip bis auf das vorgeschriebene Foto nichts weiter abgespeichert wird, unterscheidet sich der neue Ausweis kaum von seinem Vorgänger - zumindest dann nicht, wenn man sich damit im World Wide Web digital ausweisen will.
Der IT-Branchenverband Bitkom hat diesen Pferdefuß erkannt. Entscheidend sei die Akzeptanz der neuen Ausweiskarte bei den Bürgern, sagt Bitkom-Präsidiumsmitglied Dieter Kempf. Eine repräsentative Umfrage seines Verbands belege zwar, dass die Mehrheit der Verbraucher schon auf den neuen Ausweis warte, um ihn beim Online-Shopping oder -Banking einzusetzen. Doch der Internetausweis sei beileibe "kein Selbstläufer". "Politik und Wirtschaft müssen gemeinsam den weiteren Weg ebnen", damit "möglichst viele Bürger den neuen Ausweis auch wirklich schnell einsetzen."
Wie der Internetausweis funktionieren soll
Mit dem "elektronischen Identitätsnachweis" soll sich jeder Internetnutzer etwa beim Online-Shopping ausweisen können. Benötigt wird ein spezielles Lesegerät, das an den PC angeschlossen wird. Der Ausweisinhaber entscheidet, welche Daten er an wen übertragen möchte. Er muss jede Datenübertragung mit einer PIN freigeben. Dadurch wird verhindert, dass ein gestohlener Ausweis verwendet werden kann.
Nicht jeder Webseitenbetreiber darf Ausweisdaten abfragen. Berechtigt ist nur, wer bei einer staatlichen Stelle ein entsprechendes Zertifikat beantragt hat. Ein solches Zertifikat bekommt nur, wer plausibel machen kann, wozu er die Daten benötigt.
Der Internetausweis ist eine freiwillige Zusatzfunktion zum elektronischen Personalausweis und kostenlos.
Datensparsame Volljährigkeitskontrolle
Unerwartete Schützenhilfe bekommen die Vorkämpfer in Sachen Internetausweis von bundesdeutschen Kinder- und Jugendschützern. In einer gemeinsamen Erklärung fordern die Freiwillige Selbstkontrolle der Multimedia-Diensteanbieter (FSM), die Stiftung Digitale Chancen und der Verein Deutschland sicher im Netz, dass der neue Personalausweis auch zum Kinder- und Jugendschutz im Internet benutzt werden sollte. Der Internetausweis enthält nämlich ein Datenfeld, das anzeigt, ob der Ausweisinhaber volljährig ist.
Der Zweck eines solchen Datenfeldes liegt auf der Hand. Damit könne sich der Betreiber einer Webseite ohne Schwierigkeiten bestätigen lassen, dass der Nutzer tatsächlich volljährig ist, heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung. Ähnlich wie bei einem Zigarettenautomaten wird dabei nur ermittelt, ob die Altersgrenze erreicht wurde, um ein bestimmtes Angebot im Internet zu nutzen. Weitere persönliche Daten werden bei der Volljährigkeitskontrolle nicht übermittelt. Die Jugendlichen sind sowohl vor gefährdenden Angeboten als auch vor der Preisgabe ihrer Personendaten geschützt.
Eine wohl durchdachte Funktion, wie geschaffen für den Kinder- und Jugendschutz im Internet, könnte man meinen. Der Haken dabei: Die Ausweispflicht beginnt in Deutschland erst mit dem 16. Lebensjahr. In bestimmten Fällen können Personalausweise zwar bereits früher ausgestellt werden. Doch der sogenannte "elektronische Identitätsnachweis" soll grundsätzlich erst ab einem Alter von 16 Jahren möglich sein. So sieht es der Gesetzentwurf der Bundesregierung ausdrücklich vor.
Belästigungen in Chats verhindern
Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren fehle die nötige Reife für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem neuen Internetausweis, sagt die Bundesregierung. Bei einem zu laxen Umgang mit dem digitalen Ausweis bestünde nicht nur ein Sicherheitsrisiko für den einzelnen Ausweisinhaber. Vielmehr würde dadurch "auf lange Sicht das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Integrität der gesamten Authentisierungsinfrastruktur leiden".
Die Kinder- und Jugendschützer mögen solche Argumente nicht gelten lassen. Sie weisen auf einen weiteren Vorteil hin, wenn auch 12- bis 16-Jährige den Internetausweis nutzen könnten. Würde bei der Anmeldung etwa zu sozialen Online-Netzwerken oder Chaträumen verbindlich nach dem Alter gefragt, könnte man Erwachsene von solchen Plattformen fernhalten. Kinder und Jugendliche wären so besser vor Missbrauch geschützt. Sexuelle Belästigungen, wie sie in Chats häufig vorkommen, könnten dadurch wirksam bekämpft werden.
"Jugendliche sollen frühzeitig den Umgang mit den neuen Medien erlernen", sagt Bitkom-Mitglied Dieter Kempf, zugleich Vorsitzender des Vereins Deutschland sicher im Netz. "Dazu gehört, dass wir ihnen den neuen elektronischen Personalausweis für mehr Online-Sicherheit unbedingt zur Verfügung stellen." Auf dem dritten IT-Gipfel in Darmstadt hat Kempf seine Forderungen vorgetragen und von der Bundesregierung ein Gutachten über die Vor- und Nachteile eines Internetausweises für Kinder und Jugendliche eingefordert.
Mittwoch, 26. November 2008
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