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Samstag, 15. November 2008

Per Mausklick an den Pranger

Mobbing im Internet

Wenn fiese Bemerkungen, kompromittierende Bilder oder gar Videos im Internet die Runde machen, sind die Grenzen der Anzüglichkeit schnell überschritten. Mobbing im Web greift immer mehr um sich und nimmt immer bizarrere Formen an.

Dass Kollegen und Mitschüler schon mal beleidigt oder verhöhnt werden, ist nichts Neues. Dass Mobbing sowohl in Firmen als auch an Schulen ein ernst zu nehmendes Problem ist, gehört auch schon seit langem zum allgemeinen Konsens. Eine neue Qualität gewinnt das Thema aber durch moderne Kommunikationsmittel wie Handy und Internet. Wenn Spötteleien und Häme, peinliche Bilder oder heikle Videos plötzlich für Tausende sichtbar im Internet kursieren, kann von Scherz unter Freunden oder Kollegen und Schülerstreich nicht mehr die Rede sein. Diese neue Art des Psychoterrors wird Cyber-Mobbing oder auch -Bullying genannt; dabei steckt im englischen Wort "Bullying" die Aggression und Gewaltbereitschaft im Vordergrund. Internet-Chats, E-Mails oder auch Kurznachrichten auf dem Handy werden dabei zur Diffamierung, zu Beleidigung und Verleumdung genutzt.

Mobben im Cyberspace

Während bei herkömmlichem Mobbing die Belästigungen meist an der Firmenpforte oder dem Schultor Halt machen, ist Cyber-Mobbing auch deswegen so zerstörerisch, weil es tief in die Privatsphäre der Betroffenen dringt. Die SMS erreicht den Empfänger auch in der Freizeit. Und Bilder sowie Videos auf einschlägigen Internet-Portalen sind rund um die Uhr abrufbar.

Besonders kritisch einzuschätzen ist Online-Mobbing auch, weil Verleumdungen und Beleidigungen praktisch frei verbreitet oder veröffentlicht werden können. Dass die Folgen verheerend sein können, haben mehrere Selbstmorde unter Betroffenen gezeigt. So erhängte sich vor rund zwei Jahren eine 13-jährige Schülerin aus Missouri (USA), nachdem sie in einem Chat-Forum verleumdet und wüst beschimpft wurde.

Kurz nach ihrem Freitod stellte sich heraus, dass die Mutter einer ehemaligen Freundin hinter den Online-Attacken stand. Sie muss sich heute vor Gericht in Kalifornien verantworten. Der Ausgang des Prozesses ist aber weitgehend offen, da es gegen diese Art von Cyber-Kriminalität noch kein Gesetz gibt. Schließlich ist es nicht strafbar, sich unter einer falschen Identität im Internet auszugeben.

Cyber-Mobbing-Attacken können schwere psychische Schäden verursachen. Verbreitet ist das Phänomen allerdings nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland.

Laut einer Umfrage des Zentrums für empirische pädagogische Forschung der Universität Koblenz-Landau und des Webportals Seitenstark.de war jeder fünfte Schüler (19,9 % der Schüler zwischen 6 und 19 Jahren) schon einmal Opfer von Cyber-Mobbing. Die Täter sind zu 70 Prozent männlich und zwischen 11 und 20 Jahre alt. Opfer am Online-Pranger sind aber nicht nur Schüler, sondern auch immer häufiger Lehrer.

Durch die Anonymität im Cyberspace fühlen sich Täter sicher

Schüler prangern Lehrer an

Zum beliebten Mittel des Piesackens ist Cyber-Bullying geworden, gerade weil Schüler heute mit Handy und Internet äußerst kreativ umzugehen wissen. So landen unbeobachtet mit dem Handy aufgenommene Filme schnell im Internet auf Video-Plattformen (wie Youtube.de, Clipfish.de, oder www.myvideo.de).

Und Milliarden von Internet-Nutzern können anschließend mit ansehen, wie Betroffene öffentlich verhöhnt werden. Besonders perfide wird der Rufmord im Internet, wenn Filme und Fotos auch noch verfälscht werden. Mitschüler oder Lehrer werden auf diese Weise unbewusst zu Darstellern in Porno-Montagen oder virtuellen Hinrichtungen. Seiner eigenen Hinrichtung im Web muss aber niemand tatenlos zusehen.

Gerade wenn es sich um Bilder oder Videos handelt, die ohne Zustimmung der abgebildeten Person im Internet kursieren, kann der Betroffene eingreifen. Durch das Persönlichkeitsrecht geschützt, hat nämlich jeder ein Recht am eigenen Bild (und am Ton). Sowohl das Anfertigen als auch die Verbreitung von Fotos oder Videos ist grundsätzlich nur mit der Zustimmung der abgebildeten Person zulässig.

Wenn also beispielsweise Schüler unbemerkt Unterrichtsszenen mitschneiden und im Internet veröffentlichen, können diffamierte Mitschüler oder Lehrer Unterlassungsansprüche geltend machen. Beim Betreiber der Webseite kann die Löschung des kompromittierenden Materials angefordert werden. Dies ist schwierig, wenn der Betreiber des Internetportals im Ausland sitzt. Online-Communities sind beliebte Verbreitungs- Plattformen für Cyber-Mobbing. Dort tummeln sich Gleichgesinnte, die vor allem eins gemeinsam haben: ein ungeheures Mitteilungsbedürfnis.

Statistisch gesehen, ist jeder vierte Deutsche aktiv in einem sozialen Netzwerk im Internet. Dort werden Profile angelegt, eigene Fotos und Videos gezeigt sowie Hobbys und Freundschaften öffentlich zelebriert. Communities wie schülerVZ oder studiVZ erfreuen sich immer größerer Beliebtheit.Im August 2008 meldeten die Betreiber stolze 9 Millionen registrierte Mitglieder – ein wunderbarer Nährboden für Online-Terror, der nicht nur Klassenkameraden oder Kommilitonen betrifft.

www.folkoteka.org

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