Am 20. Januar 2009 übergibt George W. Bush sein Amt an Barack Obama. Damit gibt der 43. Präsident der USA auch seinen Schutz vor Strafverfolgung ab – und könnte so angeklagt werden.
Einer, der Bush den Prozess machen will, ist Vincent T. Bugliosi. Der frühere Staatsanwalt hat 1971 den Satanisten Charles Manson lebenslang hinter Gitter gebracht. Nun rechnet er mit dem 43. Präsidenten der USA ab: In einem Buch – in den USA ein Bestseller – fordert er, dass gegen Bush Anklage erhoben wird.
«Wenn der Präsident den Irak-Krieg begonnen hätte, um eine immanente Gefahr vom amerikanischen Volk abzuwenden, gäbe es keinen «Fall»», argumentiert Bugliosi darin. Bush aber habe keinen Verteidigungskrieg geführt: Vielmehr habe er eine nicht vorhandene Gefahr durch Saddam Hussein konstruiert und die USA damit in einen «verbrecherischen Krieg» geführt. Deshalb sei Bush für den Tod Tausender US-Soldaten und irakischer Zivilisten verantwortlich. «Wenn ein Staatsanwalt beweisen kann, dass Bush den Krieg unter Vortäuschung falscher Tatsachen vom Zaun gebrochen hat, dann wäre der Tod der Soldaten ungesetzlich und deshalb Mord», schreibt Bugliosi.
US-Staatsanwälte könnten Anklage erheben
Kann Bush also tatsächlich für seine Straftaten zur Rechenschaft gezogen werden? Erst müsste sich in den USA ein Staatsanwalt finden, der gegen Bush Anklage erhebt. Bugliosi glaubt, dass dies möglich ist. «Es gibt Tausende von Staatsanwälten in ganz Amerika. Man braucht nur einen einzigen von ihnen, um Anklage zu erheben – und zwar aus einem Bezirk oder Bundesstaat, wo Soldaten, die gefallen sind, gelebt haben.» Bush auf die Anklagebank bringen wollte Charlotte Dennet, Kandidatin für das Amt der Generalstaatsanwältin im US-Bundesstaates Vermont. Die 61-Jährige fand jedoch am 4. November beim Stimmvolk keinen Rückhalt und verpasste die Wahl klar.
Findet sich tatsächlich ein Staatsanwalt, der Bush juristisch zur Rechenschaft ziehen will, muss dieser gemäss Bugliosi nachweisen können, dass Bush bei der Begründung für den Irak-Krieg gelogen hat. Dies jedoch ist bislang nicht gelungen – auch wenn kaum jemand daran zweifelt, dass Bush im Jahr 2002 unter Angabe irreführender Fakten in den Krieg gezogen ist. Weder existierten im Irak Massenvernichtungswaffen, noch konnten Verbindungen zwischen Saddam Hussein und der al Qaida aufgedeckt werden.
«Bush wird nie dingfest gemacht werden»
Auch in Ländern Europas könnte Bush für seine Taten vor Gericht gerade stehen müssen. Der US-Geheimdienst CIA verschleppte unter Bush hunderte Terrorverdächtigte in Drittstaaten wie Syrien, Ägypten und Jordanien, um sie dort mittels Folter zum Sprechen zu bringen. Zahlreiche Gefangene sind in Geheimgefängnissen verschwunden, die die CIA selbst betrieb – einige davon auch in Osteuropa. In die Folterkeller flogen die US-Geheimdienste die Terrorverdächtigen von Europa aus. Damit könnten auch Gerichte in Europa aktiv werden, da die Bush-Regierung auf europäischem Boden Straftaten begangen hat. In Italien etwa hat die Justiz bereits einen Prozess angestrengt gegen CIA-Agenten, welche den ägyptischen Prediger Osama Mustafa Hasan Nasr verschleppt und gefoltert haben sollen.
«In der Theorie könnte Bush wegen sogenannten Renditions, also die Verschleppung von Terrorverdächtigen in Geheimgefängnisse, zur Verantwortung gezogen werden, denn sie stellen faktisch eine Entführung dar», sagt FDP-Ständerat Dick Marty gegenüber Tagesanzeiger.ch/Newsnetz. Er hat im Auftrag des Europaparlaments die CIA-Aktivitäten in Europa untersucht. Der frühere Tessiner Staatsanwalt räumt allerdings ein, dass dies nicht realistisch ist: «Bush wird strafrechtlich nie dingfest gemacht werden können.» Zu viele einflussreiche Kräfte hätten kein Interesse an einem Prozess. Schliesslich habe Bush auch in Europa die Geheimgefängnisse nur deshalb realisieren können, weil die Regierungen mitgemacht haben.
Völkerrechtler halten Anklage Bushs für unwahrscheinlich
Fragt sich, ob Bush allenfalls auch vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gezerrt werden könnte. Völkerrechtler halten eine Anklage gegen Bush grundsätzlich für möglich. «Laut Uno-Charta kann der internationale Strafgerichtshof in Den Haag schwere Völkerrechtsverletzungen ahnden – auch wenn ein Land, wie die USA, das Römer Statut nicht ratifiziert hat», sagt Helen Keller, Völkerrechtsprofessorin der Universität Zürich. Die Vorfälle müssten aber vom UN-Sicherheitsrat überwiesen werden -- «und das würden die USA nie zulassen.» Auch Dick Marty hält es für praktisch ausgeschlossen, dass Bush dereinst in Den Haag angeklagt wird: Der Fall Milosevic zeige, dass nur gegen Staatschefs, deren Land am Boden sei, in Den Haag prozessiert werden könne. (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)
Mittwoch, 12. November 2008
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