Frage: Guten Tag Fr. Dr. Schmelz,
vielen Dank und ein großes Lob für Ihre immer wieder sehr informativen Newsletter und Ratgeber. Heute möchte ich Sie um Rat und Tipps bitten, denn bei meinem Einzelkind Isabel (4 Jahre) bin ich zurzeit etwas ratlos.
Seit ca. 2 Wochen kann sich Isabel morgens im Kindergarten nur sehr schwer von mir lösen. Sie küsst mich unzählige Male, umarmt mich und jammert, dass ich nicht gehen darf und sie wieder mit mir gehen will. Ich muss mich dann teilweise von ihr „befreien“ und dann heult sie richtig los. Ihre Lieblings-Erzieherin nimmt sich immer sehr viel Zeit, nimmt sie auch in den Arm und tröstet sie, um die Trennung von mir einfacher zu gestalten, aber leider immer mal wieder unter Tränen. Ich winke dann immer noch zum Fenster hin und sobald ich weg bin, beruhigt sie sich auch immer sehr schnell.
Sie ist dann den ganzen Vormittag problemlos und macht im Kindergarten prima mit. Das erzählen mir die Erzieherinnen und auch die anderen Eltern, die ihre Kinder später bringen. Sie hat sehr viele Freunde im Kindergarten, mit denen wir auch privat sehr viel unternehmen, und ich denke, sie ist dort sehr gut eingebunden.
Sie geht auch ins Kinderturnen, aber zurzeit leider nur, wenn ich am Rand sitze und zuschaue. Mitmachen tut sie nur selten und spielt lieber den Zuschauer. Ich war schon am überlegen abzubrechen und mit ihr zu gehen, aber bis jetzt ziehe ich das noch bis zum Ende durch. Nach dem Motto, dann schaust du eben nur zu...
Während der Kindergartenzeit findet einmal wöchentlich die Musikschule statt. Sie ist sehr gerne dorthin gegangen und war extrem stolz auf ihre Musikschultasche, aber heute hat sie mir mitgeteilt, dass sie da auch nicht mehr hingeht.
Noch vor einigen Wochen wollte sie alles alleine machen und durfte es auch. Sie hat sich alleine an- und ausgezogen, alleine ihr Trinken geholt etc. Nun fällt sie zurück ins „Babyalter“ und ich soll alles für sie machen. Auch in der Nacht möchte sie nicht mehr alleine schlafen und holt mich irgendwann in der Nacht zu sich und schläft dann, mich umarmend, wieder ein.
Um das Ganze auf einen Nenner zu bringen, möchte sie mich komplett für sich haben und ich soll am besten immer bei ihr sein. Oder sehe ich das falsch? Was würden Sie machen oder welche Tipps können Sie mir geben?
Viele Grüße
Birgit L.
Antwort: Liebe Frau L.,
da Ihre Tochter schon 4 Jahre alt ist, vermute ich, dass dies nicht ihr erstes Kindergartenjahr ist und es bisher problemlos lief. Der Abschiedsschmerz im Kindergarten ist zwar für Sie als Mutter schwer mit anzusehen, aber da Ihre Tochter sich schnell beruhigt, sobald Sie weg sind, müssen Sie sich deswegen keine Sorgen machen. Bedenklich wäre es nur dann, wenn Isabel den ganzen Vormittag über immer wieder weinen würde, sich nicht trösten ließe und sich nicht beteiligen würde bei Aktionen und Spielen im Kindergarten.
Allerdings ist auffällig, dass Ihre Tochter erst seit zwei Wochen dieses Problem hat, dass sie nirgends ohne Sie hin will. Ist damals irgendetwas vorgefallen? Es hört sich schon danach an, dass es aus Sicht Ihrer Tochter einen Grund für das veränderte Verhalten gibt.
- Gab es Streit mit einem der Kinder im Kindergarten? Sprechen Sie dazu unbedingt auch mit der Erzieherin, um deren Einschätzung zu erfahren!
- Hat Ihre Tochter vielleicht Angst, zuhause etwas zu verpassen? Dann hilft es oft, das Kind einen oder zwei Vormittage zuhause zu lassen und weiter der gewohnten Routine nachzugehen. Lassen Sie Ihre Tochter bewusst etwas „links liegen“ und widmen Sie sich eingehend Ihrer Arbeit. Isabel wird vermutlich schnell erkennen, dass zu Hause gar nichts Spannendes passiert und es im Kindergarten viel interessanter ist.
- Waren Sie in letzter Zeit mal verreist oder wurde Ihre Tochter überraschend von Oma, Opa oder Papa abgeholt, weil Sie aus irgendeinem Grund nicht konnten bzw. nicht da waren?
Ein kleiner Tipp gegen Abschiedsschmerz: Kleine Erinnerungen an Mama oder Papa können helfen, etwa ein Nickituch mit Ihrem Parfum, das dann wenigstens nach Mama riecht, wenn Sie selbst schon nicht da sein können. Oder ein lächelndes Gesicht, das Sie Ihrem Kind daheim auf den Unterarm malen. Wenn sie sich im Kindergarten einsam fühlt, kann Isabel den Ärmel hochschieben und weiß, dass Sie an sie denken.
Sie haben geschrieben, dass Ihre Tochter bis vor kurzem noch sehr selbständig war und alles alleine machen wollte. Möglicherweise hat sie sich damit selbst übernommen und schwenkt nun wieder ins Gegenteil um. Wenn sie Hilfe von Ihnen möchte, können Sie anbieten, dass Sie es zusammen mit ihr machen, aber sie muss auch ein wenig mithelfen.
Es hört sich für mich danach an, dass Ihre Tochter momentan gerade besonders viel Sicherheit und Rückhalt braucht. In solchen Fällen ist es günstiger, das zu gewähren und dann wieder schrittweise auf mehr Selbständigkeit hinzuarbeiten, als zu sagen, das muss jetzt aber funktionieren, da es vorher auch schon geklappt hat.
Erziehung und Entwicklung eines Kindes sind wie ein Tanz: Oft geht es viele Schritte vorwärts, dann aber auch immer mal wieder einige zurück. Bleiben Sie, wenn es Ihnen möglich ist, geduldig – das sind nur Phasen!
Herzliche Grüße
Freitag, 22. Januar 2010
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