NewsKopie: Betrugsprozess um SMS-Betrugsgeschäfte wird zum Dauerbrenner

Sonntag, 21. März 2010

Betrugsprozess um SMS-Betrugsgeschäfte wird zum Dauerbrenner

SMS als Betrugsmasche

Mobilfunkanbieter schaltet Werbung in den Privat-SMS seiner Kunden
Sie hofften auf den Traumpartner und wurden abgezockt - per Flirt-SMS für je 1,99 Euro. Ob damit aber tatsächlich 700.000 Handynutzer um mehr als 46 Millionen Euro geprellt wurden, wie die Anklage behauptet, versucht das Kieler Landgericht schon seit einem halben Jahr zu klären. Ein Ende des bundesweit bislang größten Strafverfahrens gegen drei Beschuldigte, die die Anklage als Betreiber von SMS-Chats ausgemacht hat, ist nicht in Sicht. Auch ein Deal, wie sonst durchaus üblich in Wirtschaftsstrafsachen, erscheint derzeit unrealistisch.

Verteidigung und Staatsanwaltschaft sind im Ton oft so ruppig, dass der Vorsitzende Richter Günther Döring zur Mäßigung rufen muss. Da halten Verteidiger den Anklägerinnen rechtsstaatswidrige Methoden vor, titulieren eine von ihnen als "Schulmädchen" und fordern Ablösung wegen Befangenheit. Die Staatsanwältin kontert: "Ihre Ausführungen haben keinen Sinn und Verstand."

Die Anklage wirft den drei Beschuldigten, die laut Staatsanwaltschaft die Call-Center mit Hauptsitz in Flensburg über ein Firmengeflecht betreiben sollen, gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor. Sie sollen über teure Kurzwahlnummern und rund 350 Briefkastenfirmen bundesweit im Flirt-SMS-Chat abgezockt haben. Drei Mitangeklagte gelten als Strohmänner und müssen sich wegen Beihilfe verantworten.

Die Kunden hätten es wissen müssen...

Die Verteidiger der Hauptangeklagten bezweifeln die Strafbarkeit der sogenannten Premium-Dienste: Die Kunden hätten wissen müssen, dass sie es im Chat mit bezahlten Animateuren zu tun haben, die Traumpartner nur vorspielten. Das stehe in den Geschäftsbedingungen. Zahlen und Fakten der Anklage seien Effekthascherei und zum Teil bewusst falsch. Die Staatsanwältinnen dagegen sehen sich bestärkt durch Urteile des Amtsgerichts Flensburg und des Landgerichts Braunschweig.

So verurteilte das Flensburger Gericht die Ex-Mitarbeiterin eines Call-Centers, das zum Firmengeflecht der Hauptangeklagten gehören soll, wegen Beihilfe zum Betrug zu einer Bewährungsstrafe. Die Braunschweiger Richter erkannten bei einem 30-Jährigen, der Singles über einen Profi-SMS-Chat abzockte, auf gewerbsmäßigen Betrug. Der Schaden in diesem Fall: mehr als acht Millionen Euro. Die Quittung: zweieinhalb Jahre Gefängnis. Die Angeklagten waren geständig.

Auch im Kieler Verfahren wird den Angeklagten vorgeworfen, Kunden mit Tricks und Täuschungen von Profis abgezockt zu haben. Laut Arbeitsanweisungen sollte, wo möglich, "bis zum Ruin" gechattet werden: Eines der 53 Opfer, die die Anklage stellvertretend für angeblich hunderttausende Geschädigte aufführt, erhielt eine Alptraum-Rechnung von über 23.000 Euro.

Bei Hauptangeklagten besteht dringender Tatverdacht und Fluchtgefahr

Im Ringen um die Wahrheit bejaht das Oberlandesgericht in Schleswig bei den Hauptangeklagten dringenden Tatverdacht und Fluchtgefahr. Es wies deswegen alle Haftbeschwerden zurück. Dass die drei Männer seit Dezember 2008 in Untersuchungshaft sitzen, sei wegen der Höhe der zu erwartenden Strafe vertretbar. Bei einer Verurteilung im Sinne der Anklage drohen bis zu zehn Jahre Haft. Es gilt allerdings als sicher, dass die Verteidiger der Hauptangeklagten bei einem Schuldspruch das Urteil anfechten und Revision beim Bundesgerichtshof einlegen werden.

Die Mitangeklagten, die ihre Namen für Briefkastenfirmen der Hauptangeklagten hergegeben haben sollen, können auf Einstellung ihres Verfahrens gegen Geldauflagen oder Arbeitsleistungen hoffen. Darüber wollen Anklägerinnen, Verteidiger und Gericht nach Ostern per Absprache befinden.

Die Kosten des Prozesses sind nicht absehbar. Allein für die elf Pflichtverteidiger wurden für 45 Verhandlungstage etwa 150.000 Euro Honorar fällig. Dazu kommen Aufwendungen für Zeugen und Sachverständige, zwei Schöffen und Ersatzschöffen - von denen für die Berufsrichter und die Wachtmeister ganz zu schweigen.

Eine weitere Frage könnte Juristen nach Abschluss des Verfahrens beschäftigen: Dürfen die Telefonanbieter, die den Kunden die Kosten für die Premium-Kurzwahlnummern berechneten und daran kräftig mitverdienten, dieses Geld behalten, wenn es Betrug war?

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