Mubarak will die Macht abgeben - aber nicht sofort
Kairo (dpa) - Der ägyptische Präsident Husni Mubarak (82) will nicht mehr als Kandidat für eine weitere Amtszeit antreten. "Ich werde nicht für eine neue Amtszeit kandidieren", sagte Mubarak am Dienstagabend in einer Rede, die vom ägyptischen Fernsehen ausgestrahlt wurde.
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Damit zieht Mubarak die Konsequenzen aus dem Protest von Millionen Ägypter. Kurz zuvor hatten die USA erstmals Kontakt mit Mohammed el Baradei aufgenommen, dem Hoffnungsträger der Opposition. Der friedliche Massenprotest in Kairo und anderen Städten des Landes hat das Regime ins Wanken gebracht und schlägt in der gesamten arabischen Region immer höhere Wellen.
In Kairo gingen am Dienstag nach Informationen des Senders Al-Dschasira bis zu zwei Millionen Menschen auf die Straße. Der Protest dauerte bis zum späten Abend an, während mit Spannung die Rede Mubaraks erwartet wurde.
Weil das Auswärtige Amt jetzt dringend von Reisen nach ganz Ägypten abrät, bringen die großen deutschen Reiseveranstalter bis Mitte Februar keine Urlauber mehr nach Ägypten. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) rief die ägyptische Führung zum Dialog mit der Protestbewegung auf.
In Jordanien, wo in den vergangenen Wochen Tausende auf die Straße gegangen waren, beauftragte König Abdullah II. den Ex-Regierungschef Maruf Bachit mit der Bildung einer neuen Regierung. Bachit war bereits von November 2005 an für zwei Jahre Ministerpräsident gewesen. Die neue Regierung solle "praktische, schnelle und greifbare Schritte für den Beginn eines Prozesses echter politischer Reformen einleiten, der unserer Vision einer umfassenden Modernisierung gerecht wird", erklärte der König.
Im Nachbarland Syrien gibt es für Freitag und Samstag Aufrufe zu Protesten gegen Unterdrückung und Korruption. Diese sollten auch Ausdruck der Unterstützung für das ägyptische Volk sein, hieß es auf von Oppositionsgruppen betriebenen Internetseiten. Syriens Präsident Baschar al-Assad erklärte per Interview, er wolle mehr politische Reformen in seinem Land. Der Herrscher stützt sich auf die allmächtige Baath-Partei und das Militär. Seit 1963 gilt in Syrien - ähnlich wie seit fast 30 Jahren in Ägypten - ein permanenter Ausnahmezustand. Menschenrechtler beklagen willkürliche Verhaftungen und Folter.
In Algerien kündigten mehrere Gewerkschaften für die kommenden Tage große Streiks an. Wegen der unsicheren Lage in der arabischen Welt verteuerten sich neben dem Öl auch fast alle anderen Rohstoffe.
Für Ägypten gehen die Vereinten Nationen von deutlich mehr Todesopfern bei den Unruhen aus als bisher bekannt. "Unbestätigte Berichte sprechen von bisher 300 Toten und mehr als 3000 Verletzten", sagte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, in Genf.
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Die deutsche Reisebranche reagierte mit ihrem Urlaubsstopp für Ägypten auf die erneute Verschärfung der Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes. Das schließe ausdrücklich auch die Touristengebiete am Roten Meer mit ein, sagte Westerwelle. An eine Evakuierung ist aber weiterhin nicht gedacht.
In Kairo verständigten sich Vertreter aller größeren Oppositionsparteien und -bewegungen auf eine gemeinsame Linie. Sie fordern den Rücktritt Mubaraks und eine "Regierung der nationalen Allianz". Zu den Forderungen, die nach einem Treffen am Dienstag in Kairo erhoben wurden, gehört auch die Auflösung der beiden Parlamentskammern sowie der Regionalparlamente. Eine Arbeitsgruppe soll eine neue Verfassung ausarbeiten.
Erstmals nahmen die USA Kontakt zu Friedensnobelpreisträger El Baradei auf. Dabei bekundete US-Botschafterin Margaret Scobey die Unterstützung Washingtons für einen geordneten Übergang zur Demokratie, teilte US-Außenamtssprecher Philip Crowley mit. Einzelheiten nannte er nicht. US-Präsident Barack Obama hat Mubarak wiederholt zu demokratischen Reformen aufgerufen, sich aber nicht für seinen Rücktritt ausgesprochen, den die Opposition in Ägypten verlangt. El Baradei wiederum hatte zuvor die US-Haltung kritisiert: Sie stehe im Widerspruch zum sonstigen Eintreten der USA für Demokratie und Menschenrechte in der Welt.
Die ägyptische Opposition lehnt Gespräche mit den Machthabern vor einem Rücktritt Mubaraks ab. "Wir erwarten, dass die Führung uns einen Zeitplan für die Umsetzung dieser Forderungen präsentiert. Erst dann sind wir bereit, einen Dialog mit Vizepräsident Omar Suleiman zu beginnen", hieß es. Friedensnobelpreisträger Mohammed el Baradei forderte, Mubarak müsse bis spätestens Freitag sein Amt niederlegen.
Bei der Demonstration auf dem Tahrir-Platz in Kairo zeigten die Streitkräfte Präsenz, ohne die Proteste zu behindern. Das Militär zog Unruhestifter und mutmaßliche Kriminelle aus dem Verkehr. Nach Angaben des Staatsfernsehens versuchten Provokateure, Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Soldaten anzustiften. Auch in anderen Städten wie Alexandria oder Ismailija forderten Zehntausende Ägypter einen Neuanfang.
Das Militär, das am Vortag Schüsse auf friedliche Demonstranten ausgeschlossen hatte, hielt sich im Hintergrund. Der Protest ging quer durch die ägyptische Bevölkerung. Auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo versammelten sich Arbeiter und Ärzte ebenso wie Geistliche, Frauen mit Kindern und junge Männer. Ein dpa-Reporter berichtete von einer ausgelassenen, fast fröhlichen Stimmung. "Wir wollen Freiheit. Wir wollen Demokratie", riefen Demonstranten. Auf Transparenten war zu lesen "Mubarak, verschwinde".
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan rief die ägyptische Führung zu einer demokratischen und friedlichen Lösung des Konflikts auf. Das ägyptische Volk nutze nur demokratische Rechte, sagte Erdogan. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, der frühere ägyptische Außenminister Amr Mussa, sprach von einer neuen Ära. Es sei unmöglich, zum Zustand vor Beginn der Unruhen vor gut einer Woche zurückzukehren.
Dienstag, 1. Februar 2011
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