Brandwolken ziehen nach Westen
Die Brandwolken der Wald- und Torfbrände in Russland ziehen nach Westen und könnten auch Deutschland erreichen. Ob darin radioaktive Partikel enthalten sind, ist unklar. Russische Behörden bestätigen, dass es auch in Gebieten brennt, die infolge der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl verseucht wurden.
Die Wald- und Torfbrände in Russland haben die von der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl verseuchten Gebiete erreicht. Das berichtet der russische Waldkontrolldienst. Die Behörden befürchten, dass mit dem Rauch radioaktive Partikel aufsteigen. Die Region nahe der Grenze zu Weißrussland und der Ukraine war durch die Atomkatastrophe 1986 schwer verstrahlt worden. Allein in den Wäldern des stark kontaminierten Gebiets Brjansk habe es 28 Brände gegeben. Diese seien aber inzwischen gelöscht.
Die Brandwolken ziehen derzeit nach Westen. In den nächsten drei Tagen werden sie nach Berechnungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) voraussichtlich Polen und Südschweden erreichen. "Auch die östlichen Randgebiete Deutschlands könnten berührt werden", sagte DWD-Sprecher Uwe Kirsche. Ob die Wolken radioaktive Partikel enthalten, sei aber nicht bekannt. Zurzeit werde in Deutschland nichts gemessen.
"Es gibt Karten, auf denen die radioaktive Verschmutzung zu sehen ist, und es gibt Karten, auf denen die Feuer zu sehen sind. Wenn man diese Karten aufeinanderlegt, wird jedem klar, dass es in radioaktiven Gebieten brennt", schrieb die russische Behörde. Auch in anderen Regionen mit radioaktiver Strahlung habe es gebrannt, etwa in der Gegend von Tscheljabinsk am Ural, räumte die Behörde ein. Dort befinden sich mehrere Atomanlagen.
Widersprüchliche Aussagen zur Gefahr
Das Bundesamt für Strahlenschutz betonte, für Deutschland bestehe keine Gefahr. Die Verbreitung radioaktiver Stoffe bei Waldbränden sei regional begrenzt - anders als beim Reaktorunglück in Tschernobyl, als radioaktive Stoffe in große Höhen geschleudert und große Strecken transportiert wurden.
Generell ausschließen wollte der Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, Hartmut Ziebs bei n-tv jedoch nicht, dass die Strahlung auch Deutschland erreichen könnte. "Nach der momentanen Witterungslage würde sich die Strahlung nicht in Richtung Deutschland auswirken. Dazu müssten erst meteorologischen Bedingungen ändern. Dann könnte es durchaus passieren, dass die Partikel Richtung Westen abgetrieben werden, also Richtung Deutschland." Ob dann eine reelle Gefahr für Deutschland bestünde, sei noch völlig unklar. "Man würde aber nie Nie sagen", sagte Ziebs.
Der DWD musst rund um die Uhr und routinemäßig im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz die Radioaktivität in der Luft und im Niederschlag. Die Daten werden in 48 Stationen vorwiegend automatisch gesammelt. Werden bestimmte Schwellenwerte überschritten, lösen die Geräte Alarm in der DWD-Zentrale in Offenbach aus. In solchen Fällen werden die Messungen häufiger ausgewertet. Das Strahlenschutzamt ermittelt die Luft-Radioaktivität zusätzlich mit 1800 Mess-Sonden.
Bevor die russischen Behörden die radioaktive Gefahr infolge der Waldbrände zugaben, hatte die Umweltschutzorganisation Greenpeace ihnen vorgeworfen, die Bevölkerung im Unklaren zu lassen. Die Aktivisten widersprachen der Darstellung von Russlands oberstem Amtsarzt Gennadi Onischtschenko, der Entwarnung gegeben hatte. Greenpeace forderte die Regierung auf, unverzüglich Maßnahmen zu treffen und die Bevölkerung ehrlich zu informieren. Die Umweltschützer warnen davor, dass die Brände radioaktive verseuchte Partikel aufwirbeln könnten.
Sterberate steigt erheblich
Im Kampf gegen die Flammen ist es den russischen Einsatzkräften gelungen, die verheerenden Waldbrände stark einzudämmen. Das Katastrophenschutzministerium teilte mit, Feuerwehrleute hätten in den vergangenen 24 Stunden die brennende Fläche auf 927 Quadratkilometer fast halbiert. Etwa 166.000 Kräfte seien derzeit im Einsatz und damit beschäftigt, mehr als 600 Brandherde zu bekämpfen.
Zudem ließen starke Winde die giften Rauchwolken über der Hauptstadt Moskau nahezu verschwinden und die Einwohner das erste Mal seit Wochen wieder aufatmen. Der russische Wetterdienst warnte jedoch, dass der Smog bald zurückkehren könnte. "Die Wälder brennen noch immer. Sobald der Wind nachlässt, wird der Rauch wiederkommen", heißt es.
Wegen des giftigen Smogs und der wochenlangen Rekordhitze stieg die Sterberate in der Hauptstadt enorm. Im Juli seien 14 340 Menschen gestorben, anderthalb Mal so viele wie im selben Monat des Vorjahres, zitierte die Agentur Ria Nowosti einen namentlich nicht genannten Offiziellen. Es sei zu früh, einen Zusammenhang zwischen der höheren Zahl von Toten und der Hitze sowie dem Smog zu ziehen, sagte hingegen der Gesundheitsminister der Moskauer Region, Wladimir Semjonow.
Derweil hat das US-Außenministerium von Reisen nach Russland abgeraten. Mitarbeitern der US-Botschaft in Moskau, die nicht unbedingt gebraucht werden, und ihren Familien sei die Abreise erlaubt worden, teilte das Ministerium in Washington mit. Nach Möglichkeit sollten Reisen nach Russland verschoben werden.
Putin als Brandmeister
Russlands Regierungschef Wladimir Putin hat sich unterdessen erneut medienwirksam in Szene gesetzt. Diesmal präsentierte er sich als oberster Brandmeister Russlands. Der Ex-Kremlchef löschte als Co-Pilot eines Wasserflugzeugs vom Typ Be-200 zwei Waldbrände aus der Luft. Der 57-Jährige pflegt in den Medien gerne sein männliches Image – als halbnackter Angler, Reiter, Judoka, Motorradfan in Lederkluft und Tigerbändiger.
Beobachter sehen Putins Auftritte in der größten Brandkatastrophe der russischen Geschichte vor allem als Beginn seines möglichen Kampfes um die Rückkehr in den Kreml. 2012 wird in Russland wieder ein Präsident gewählt – und Putin gilt als der mit Abstand beliebteste Politiker. Sein Einsatz in dem Katastrophengebiet Rjasan dauerte gerade mal eine halbe Stunde.
Mittwoch, 11. August 2010
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