Die Deutsche Flugsicherung (DFS) hat am Sonntagnachmittag mehrere deutsche Flughäfen befristet für bestimmte Flüge wieder freigegeben. Flüge von Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt am Main in Richtung Norden seien bis Sonntagabend um 20.00 Uhr möglich, sagte eine DFS-Sprecherin. Das gelte auch für den Flughafen Hahn im Hunsrück, wo vor allem Billigflieger starten. Die Airports Berlin-Schönefeld, Berlin-Tegel, Erfurt, Leipzig und Hannover wurden ebenfalls bis 20.00 Uhr freigegeben, aber nur für Flüge in östlicher Richtung.
Mit der Freigabe nutze die Flugsicherung Schlupflöcher in der Wolke aus Vulkan-Asche, die seit Tagen den Flugverkehr in weiten Teilen Europas lahmlegt, sagte die Sprecherin. Ein Sprecher der Berliner Flughäfen warnte Passagiere allerdings, ohne Absprache mit der Fluggesellschaft nach Tegel oder Schönefeld zu fahren. Wegen der kurzfristigen Ankündigung sei es unklar, ob überhaupt Flugzeuge in dem Zeitfenster starten würden.
Der Flughafen Hamburg bleibt entgegen der ersten Planung der Deutschen Flugsicherung doch geschlossen. Neueste Auswertungen der Wetterdaten hätten ergeben, dass die Lockerung des Flugverbots für Hamburg nicht gelten könne, sagte Sprecherin Kristina Kelek am Sonntag.
Lufthansa kritisert Behörden
Zuvor hatte die Deutsche Lufthansa die Behörden scharf angegriffen. "Wir halten es für skandalös, dass die Verbote nur auf Grundlage einer einzigen Quelle verhängt werden", sagte Lufthansa-Konzernsprecher Klaus Walther der Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag. Die Airline, der wegen des Flugverbots massiv Umsatz entgeht, behalte sich Regressansprüche vor. "Wir behalten uns auch vor, die Frage zu stellen, wer haftet eigentlich, wer kommt für die Schäden auf?", sagte Walther.
Es sei zwar korrekt, dass der Luftraum anfangs ohne Messungen gesperrt worden sei, um Gefahren zu vermeiden. Aber danach hätten die Behörden sofort mit Tests und Messungen beginnen müssen, um das weitere Vorgehen zu untermauern. Außerdem hätten mehrere Informationsquellen genutzt werden müssen. Das sei aber seit Tagen nicht passiert, während der leere Himmel und das Chaos am Boden die Volkswirtschaft Milliarden kosteten, sagte Walther. Auch die Ergebnisse der Testflüge von Fluggesellschaft seien nicht herangezogen worden. Das beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen stationierte Messflugzeug sei immer noch nicht gestartet, laut Ministerium könne es erst am Montag abheben, kritisierte der Sprecher.
Die Deutsche Flugsicherung DFS und der Deutsche Wetterdienst (DWD) haben Kritik von Airlines an der Luftraumsperrung über Deutschland zurückgewiesen. Sprecher von DFS und DWD sagten, sie seien an verbindliche Vorgaben gebunden. "Wir müssen nach Sicherheit handeln, nicht nach Wirtschaftlichkeit", betonte DFS-Sprecherin.
Verweis auf gleiche Praxis in anderen Ländern
DWD-Meteorologe Christoph Hartmann sagte, der Wetterdienst bekomme seine Daten zur Vulkanasche vom Vulcanic Ash Advisory Centre in London, "und die sind verbindlich für die Kollegen von der Flugwetterberatung". Die Flugwetterberatung macht dann eine ganz normale Meldung, "wie bei einem Gewitter auch", für die DFS. Hartmann verwies zudem auf Messungen des DWD über Süddeutschland zu Vulkanasche. Die Messstation auf dem Hohenpeißenberg bei München habe in den Luftschichten zwischen drei und sieben Kilometern gemessen, dass dort Ozon stark reduziert sei. Das passiere, wenn Ozon mit Vulkanasche reagiere.
Die DFS plant laut Sprecherin Kelek die Luftraumsituation anhand der DWD-Daten. Danach errechne sie, wo sich die mit Vulkanasche kontaminierten Gebiete befänden. Auf dieser Grundlage sei die DFS dann an bestimmte Vorschriften gebunden, die für alle Flugsicherungen weltweit gelten. Sie verwies darauf, dass die anderen europäischen Länder genauso handelten. "Wir müssen in erster Linie so handeln, dass die Sicherheit im deutschen Luftraum gewährleistet ist", sagte Kelek. Wenn sich die DFS nicht an diese Vorgaben halte, hafte sie für die Folgen. Sie verwies darauf, dass nicht die Flughäfen gesperrt würden, sondern verschiedene Sektoren des Luftraums. Die Fluggesellschaften, die nun Testflüge gestartet hätten, seien dafür selbst verantwortlich, deswegen seien die Flüge auch ohne Passagiere erfolgt. Es sei aber unmöglich, dass der gesamte Flugverkehr mit Passagiermaschinen in den niedrigen Flughöhen abgewickelt werde, in denen die Testflüge stattgefunden hätten.
Lufthansa fordert Krisenstab der Bundesregierung
Die Lufthansa und Air Berlin hatten am Samstag mehrere Langstreckenflugzeuge ohne Passagiere unter Sichtflugbedingungen auf der zulässigen Flughöhe von 3.000 Metern überführt. Beide Fluggesellschaften teilten mit, die technische Überprüfung der Flugzeuge nach der Landung habe keinerlei Schäden gezeigt. "Uns verwundert, dass die Ergebnisse der Testflüge von Lufthansa und Air Berlin vom Samstag keinerlei Einfluss auf die Entscheidungsfindung der Luftsicherheitsbehörden gefunden haben", erklärte Air-Berlin-Chef Joachim Hunold. "Es ist in Deutschland noch nicht einmal ein Wetterballon aufgestiegen, um zu messen, ob und wie viel Vulkanasche sich in der Luft befindet", sagte er der "Bild am Sonntag".
"Wir haben elf Flugzeuge verlegt, alle sind ohne Befunde gelandet, es gab keine sonderbaren Ablagerungen in den Triebwerken und auch keine sichtbaren Schäden", sagte Walther. Die Behörden befürchten, die Asche-Teilchen aus dem isländischen Vulkan könnten die Flugzeugmotoren verkleben, zudem könne der niedrige Sauerstoffgehalt in den Asche-Wolken die Flieger gefährden. Daher ist der deutsche Luftraum seit Tagen gesperrt. Walther schloss sich der Forderung von Air-Berlin-Chef Joachim Hunold nach einem Krisenstab des Verkehrsministeriums an. "Das Ministerium sollte jetzt schleunigst handeln", sagte der Lufthansa-Sprecher.
Hoffnung auf Starts am Sonntag
Je nachdem, wie sich die kontaminierten Gebiete veränderten, könne die DFS verschiedene Sektoren freigeben, sagte Kelek. Am Samstag sei beispielsweise der Flugsektor ab etwa 12.000 Meter freigegeben worden. Das nütze aber nichts, wenn die darunterliegenden Sektoren nicht freigegeben seien, da keine Starts und Landungen durch kontaminiertes Gebiet möglich seien. Die Lufthansa hofft, dass der Flugbetrieb noch am Sonntag wieder aufgenommen wird. "Wir hoffen, dass es ab 20.00 Uhr wieder losgeht", sagte Walther. Bis dahin ist der deutsche Luftraum nach jetzigem Stand gesperrt. Der Verbleib am Boden kostet die Fluggesellschaft eine Menge Geld. Die Einnahmeausfälle summierten sich auf mindestens 25 Millionen Euro am Tag, soviel hatte der Pilotenstreik vor einigen Wochen gekostet.
Lufthansa habe eine gesunde Bilanz, ein gutes Cashpolster und flexible Regelungen mit den Gewerkschaften und komme daher noch gut durch diese Krise. Gesellschaften, deren Bilanz schlechter aussehe, könnten aber Existenzprobleme bekommen. Er könne nicht ausschließen, dass die Vulkan-Krise der Konsolidierung in Europas Luftfahrtbranche einen Schub gebe, sagte Walther weiter. Nach einer Freigabe des Luftraums könnte es etwas schneller wieder Normalbetrieb geben als nach dem Pilotenstreik, prognostizierte er. In den ersten Stunden gebe es voraussichtlich nur 30 Prozent der üblichen Flüge, dann werde sukzessive hochgefahren. Der Normalbetrieb werde dann aber nicht vier bis fünf Tage auf sich warten lassen.
Sonntag, 18. April 2010
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